Textdokumente
Atommüll- und Endlagerproblem
SCHWEIZERISCHE ENERGIESTIFTUNG (SES):
„Die technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen an ein Atommülllager sind immens. Viele elementare Unklarheiten wurden im Entsorgungskonzept der Nagra nicht beseitigt. Zwar kann es die absolute Sicherheit nicht geben. Die Nagra muss ein Lager planen, in dem der Atommüll ständig überwacht und notfalls auch zurückgeholt werden kann. Die Verharmlosung von potentiellen Gefahren gegenüber der Öffentlichkeit macht sie unglaubwürdig.
Ein Atommülllager-Konzept, das ewige Sicherheit verspricht, ist unglaubwürdig. Bevor die geeigneten Standorte gewählt werden und ein partizipatives Schein-Mitspracherecht aufgegleist wird, müssen offene Fragen beantwortet sein und es muss aufgezeigt werden, wie mit der Zeitspanne von einer Million Jahren umgegangen wird. Es braucht genug Zeit für die Lösungen“.
DIPL.-ING UDO DETTMANN:
„Wir haben Zeit – ein Schnellschuss bringt nichts. Die Zwischenlagerung ist wenigstens kontrollier- und revidierbar. Entscheidend ist, dass wir uns aus der Atomkraft verabschieden und nicht noch mehr Müll produzieren. Und, dass wir uns nicht abkanzeln lassen. Wir haben nicht nur „Bedenken und Ängste“, sondern substanzielle Kritikpunkte und legen den Finger in diese offene Wunde. Durch einen Atom-Ausstieg würde der Weg frei für einen offenen und ehrlichen Weg im Umgang mit dem Atommüll.“(Energie & Umwelt 1/2010)
Energie aus der Wüste
Deutsche Unternehmen wollen in der Sahara Solarstrom produzieren
Grosse deutsche Strom- und Finanzkonzerne wollen Deutschland schon in zehn Jahren mit Sonnenenergie aus der Sahara versorgen. Ein Konsortium soll jetzt politische und finanzielle Probleme aus dem Weg räumen. Geplant sind riesige Solarkraftwerke in der nordafrikanischen Wüste.
srs. Prima vista klingt es wie ein grüner Zukunftsroman: «Saubere» Sonnenenergie aus der Sahara für die europäischen Strommärkte. Die spektakuläre Idee gibt es schon lange, sie war Inhalt verschiedener Forschungsprojekte. Doch bisher wurden derartige Projekte von den Grossen der Branche eher belächelt.
Das hat sich inzwischen grundlegend geändert, die Vision könnte Realität werden. Denn deutsche Konzerne planen in Nordafrika – die Sahara ist von ihrer Fläche etwa so gross wie die USA - den Bau riesiger Solarparks. Von 2019 an könnte schon der erste Strom fliessen, ab 2050 liessen sich auf diese Weise etwa 15 Prozent des europäischen Strombedarfs decken.
Das Projekt «Desertec», eine Wortverbindung aus den englischen Wörtern Desert (Wüste) und Technology (Technik), soll auf einer Fläche von 130 mal 130 Kilometern in Nordafrika realisiert werden. Solarthermische Anlagen könnten dort Strom aus dem Licht der Sonne produzieren. Auch afrikanische Länder sollen mit Energie beliefert werden.
Beteiligung der ABB
srs. Auch die schweizerische ABB ist an dem Riesen-Projekt und dessen weiterer Koordination dabei. Der Technologiekonzern war finanziell an einer ersten Machbarkeitsstudie beteiligt und begleitet das Projekt schon länger inhaltlich. Schwerpunkte sind dabei Stromübertragung und Solartechnik.
Die Dimensionen des gigantischen Projekts werden nicht zuletzt an den Kosten deutlich, die auf rund 400 Mrd. Euro für Solarkraftwerke und Stromleitungen geschätzt werden. Zum Vergleich: Der Entwurf für den deutschen Staatshaushalt im laufenden Jahr beträgt 290 Mrd. Euro. Allerdings sollen sich die Kosten des Projekts auf 30 Jahre verteilen. Dennoch seien Subventionen in der Startphase nötig, sagen die Initianten.
Folgen des Klimawandels
Die Federführung des Projekts liegt bei der Münchner Rück. Die grösste Rückversicherung der Welt verbindet damit handfeste Interessen. Denn Rückversicherungen sind von den Folgen des Klimawandels deutlich betroffen. Allein im vergangenen Jahr beliefen sich die Schäden aus Naturkatastrophen für Erst- und Rückversicherer weltweit auf insgesamt 200 Mrd. Dollar. Die Tendenz ist steigend, um drei bis vier Prozent jährlich: «Langfristig ist der Klimawandel ein grösseres Problem als die Finanzkrise», sagte Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchner Rück der «Süddeutschen Zeitung».
Die Kalkulation von Prämien für Versicherungen werde zunehmend schwieriger, ebenso die Prognose solcher Ereignisse. «Wenn wir es nicht schaffen, den Klimawandel zu begrenzen, dann trifft es uns als Unternehmen genauso, wie es die Gesellschaft trifft », ergänzte er.
Mitte Juli soll das weitere Vorgehen koordiniert und ein Fahrplan für die nächsten Jahre ausgearbeitet werden. Ausser dem Rückversicherer sind unter anderem der Siemens-Konzern, die Energieversorger E.on, RWE, Schott Solar und die Deutsche Bank sowie weitere Unternehmen aus Deutschland, Italien und Spanien vertreten. Das Auswärtige Amt schickt einen Stellvertreter von Minister Steinmeier, weiter sind die Arabische Liga und der Club of Rome beteiligt, auf den das Projekt zurückgeht.
Relativierung der Kosten
Der Präsident der deutschen Gesellschaft des Club of Rome, Max Schön, verteidigt das Projekt als realistisch und rentabel. Innerhalb einer Generation könnten 90 Prozent des Bedarfs aus Sonnenenergie gewonnen und zugleich der Kohlendioxid-Ausstoss drastisch reduziert werden, sagte er in einem Radio-Interview. Mit Blick auf die geschätzten Kosten von 400 Mrd. Euro meinte er, in den nächsten 30 Jahren müssten alle bestehenden Kraftwerke erneuert werden. Daher handele es sich um Investitionen, die ohnehin getätigt werden müssten.
Die Stromübertragung soll mit Hochspannungs-Gleichstrom erfolgen. Siemens verwirklicht diese Technik derzeit in China, der Leistungsverlust beträgt über 1000 Kilometer gerade einmal drei Prozent. Wechselspannungs-Leitungen, wie sie heute Standard sind, können das nicht leisten. Auch entsprechende Kraftwerke existieren bereits, etwa in Spanien und Kalifornien.
Skeptische Solarfirma
Kritisch zu dem Projekt hatte sich ausgerechnet die grösste deutsche Solarfirma Solarworld geäussert. «Baut man die Kraftwerke in politisch instabilen Ländern, bringt man sich in die gleiche Abhängigkeit wie beim Öl», sagte deren Chef Frank Asbeck. Demgegenüber betont Hans-Müller Steinhagen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das ebenfalls hinter dem Projekt steht: Um das Risiko zu streuen, könne man diese Unwägbarkeiten mit mehreren Übertragungsleitungen aus verschiedenen Standorten in Nordafrika umgehen.
(Erschienen in NZZ Online 18.06.2009, Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung, www.nzz.ch)