FAQ

1. Fragen zum Thema Atomkraftwerke

1.1 Heisst es eigentlich „Atomenergie“ oder „Kernenergie“?

Die beiden Ausdrücke sind gleichwertig. Eigentlich müsste es Atomkernenergie heissen, denn gemeint ist ja Energie aus der Atomkernspaltung.

Die Befürworter verwenden seit Jahrzehnten konsequent den Begriff Kernenergie, weil das Wort „Kern“ unbewusst als harmloser empfunden wird als das Wort „Atom“. Die Atomgegner bevorzugen den Ausdruck Atomenergie, denn so hiess diese Energieform von Anfang an. Zudem erinnert das Wort an die Risiken, die mit dieser Energieerzeugung verbunden sind.

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1.2 Wie funktioniert ein Atomkraftwerk?

Im Atomkraftwerke wird durch die Spaltung von Uranatomen Wärme erzeugt. Diese wird zur Dampferzeugung verwendet. Über eine Dampfturbine wird ein Generator angetrieben. Atomkraftwerke liefern Bandenergie. Sie decken mit stets gleichbleibender Leistung den Grundbedarf an Strom.

Zentrales Element eines Atomkraftwerks ist der Reaktor. Er besteht ausReaktorgefäss, BrennelementenModerator (Flüssigkeit), Kühlmittel und Steuerstäben, eingeschlossen in ein so genanntes Containment. Als „Brennmaterial“ dient Uran. Der Moderator hat die Aufgabe, frei vorhandene Neutronen auf eine Geschwindigkeit abzubremsen, bei der sie von einzelnen Atomkernen eingefangen werden können. Atomkerne, die ein Neutron eingefangen haben, zerfallen anschliessend spontan unter Wärmeabgabe und unter Aussendung ionisierender Strahlen in andere Elemente.  

Als Moderator wird im Leichtwasserreaktor Wasser verwendet, welches gleichzeitig zur Kühlung und damit zur Wärmeabfuhr dient. Die Steuerstäbe fangen zwei von drei bei einer Spaltung entstehende Neutronen ein und verhindern so eine explosionsartiges Anschwellen der Kettenreaktion. Im Übrigen dienen sie zur Regulierung und zur Abschaltung des Reaktors.

In der Schweiz werden zwei verschiedene Typen von Leichtwasserreaktoren eingesetzt: Der Siedewasserreaktor und der Druckwasserreaktor.

Beim Siedewasserreaktor wird das Wasser im Reaktorinnern zum Sieden gebracht. Der dabei entstehende  Dampf treibt eine Turbine direkt an, die dadurch radioaktiv kontaminiert wird. Mit einem an die Turbine gekoppelten Generator wird schliesslich Elektrizität erzeugt. 

Beim Druckwasserreaktor gibt es zwei Kreisläufe (Primär- und Sekundärkreislauf). Das Kühlwasser des Reaktors steht unter einem extrem hohen Druck und kann deshalb nicht sieden. Die Wärme wird in einem Wärmetauscher  an einen zweiten Wasserkreislauf  abgegeben. Der Dampf aus dessen Dampferzeuger treibt eine Turbine, die Turbine ihrerseits einen Generator an.

Die Wärmeenergie aus dem Reaktor wird in der Turbine in mechanische und anschliessend im Generator in elektrische Energie verwandelt. Energieumwandlungen sind immer mit Verlusten verbunden. Über 70 Prozent der im Reaktor freigesetzten Energie geht aus physikalisch-technischen Gründen  im Verlauf der Umwandlungsprozesse verloren

Wenn ein Reaktor abgestellt wird, geht die Wärmeentwicklung weiter  (Nachzerfallswärme). Diese muss abgeführt werden,  sonst überhitzt sich der Kern und es kommt zu einer Kernschmelze. Verschiedene, voneinander unabhängige Kühl- und Notkühlsysteme sind dazu da, das zu verhindern. In Lucens,Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima versagten diese Systeme.

„Kraftwerke mit hohen Fixkosten und geringen laufenden Kosten, wie z.B. Kernkraftwerke, müssen möglichst rund um die Uhr das ganze Jahr (8760 h) über unter Volllast laufen, um rentabel zu sein. Als Schwellenwert für Rentabilität von Kernkraftwerken gelten 8000 Volllaststunden pro Jahr. Im Jahr 2008 kamen die Kernkraftwerke in Deutschland durch den wachsenden Ökostrom im Schnitt auf nur noch 6820 Volllaststunden, für 2009 werden weniger als 6000 Stunden prognostiziert.“ 

(Daten aus: Bernhard Janzing: Eine klare Rechnung  [taz 02.05.09] ) 

1.3 Was ist eine Kernschmelze?

Von Kernschmelze spricht man, wenn der Kern eines Atomreaktors infolge einer unzureichenden Kühlung schmilzt. Kernschmelze ist der schlimmste aller denkbaren Unfälle in einem Atomkraftwerk .

Ein Atomreaktor kann im Notfall nicht wie irgendeine andere Maschine sofort abgestellt werden. Auch nach dem Abschalten des Reaktors gehen die Zerfallsprozesse im Innern weiter, der Reaktor produziert so weiterhin nebst Radioaktivität auch Wärme, die so genannte „Nachzerfallswärme“. Diese muss durch Kühlvorrichtungen abgeführt werden. Fallen Kühlung und Notkühlung aus, überhitzt sich der Reaktor, der Kern schmilzt. Wenn dies geschieht, ist die Wärme im Innern des Reaktors dermassen gross, dass sich die Kernschmelze unter Umständen durch den Boden des Reaktordruckgefässes und das Betonfundament hindurch fressen kann. In Amerika heisst dieses Phänomen „China Syndrom“. Gerät die Schmelzmasse in Berührung mit dem Grundwasser, kommt es zur Dampfexplosion oder im schlimmsten Fall zu einer Knallgasexplosion (wenn aufgrund der grossen Hitze Grundwasser thermolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird). Ein grosser Teil des radioaktiven Materials wird durch eine solche Explosion in die Umgebung freigesetzt, ein Super-GAU.

Als Ursache für den Ausfall der Reaktorkühlung kommen in Frage:

  • Bruch der Hauptkühlleitung und anschliessendes Versagen der Notkühlung
  • Stromausfall mit komplettem Ausfall der Notstromversorgung

Der erste Fall führt zu einer Kernschmelze mit offenem Primärkreis bei Niederdruck, der zweite zu einer Kernschmelze bei vollem Druck.

 Bisherige Kernschmelzunfälle:

  • 1955 schmilzt die Hälfte der Brennstäbe in einem Versuchsreaktor in Idaho (USA) 
  • 1960 schmilzt ein Brennelement in einem Versuchsreaktors bei Waltz Mills (USA) 
  • 1963 schmilzt ein Brennelement in einem Versuchsreaktors in Oak Ridge (USA) 
  • 1966 schmilzt die Hälfte der Brennelemente im Fermi-Reaktor in Detroit (USA) 
  • 1967 teilweise Kernschmelze in Chappelcross (GB) 
  • 1969 schmilzt der Reaktor in Lucens (CH)
  • 1969 Störfall Stufe 4 in Saint-Laurent (Frankreich) 
  • 1979 teilweise Kernschmelze in Three Mile Island (Harrisburg/USA) 
  • 1986 Kernschmelze in Tschernobyl (damals UdSSR), Störfall höchste Stufe 7
  • 2006 in Forsmark (Schweden) wird Dank Ungehorsam der Bedienungsmannschaft eine Kernschmelze knapp verhindert
  • 2011 Kernschmelze(n) in Fukushima (Japan)

1.4 Wie wird in einem Atomkraftwerk Strom erzeugt?

Der Atomreaktor erzeugt Wärme. Mit der Wärme wird Dampf produziert, der eine Dampfturbine antreibt. An die Dampfturbine ist ein Generator angekoppelt, der den Strom liefert. Der Wirkungsgrad der gesamten Umwandlungskette beträgt nur etwa 30%. 

Ein Atomkraftwerk ist ein Energie umwandelndes System (ein Konverter). Die Energiequelle „Uran“ wird durch Atomspaltung über Wärme, Druck und Bewegung in den Energieträger „Elektrizität“ umgewandelt.

1.5 Wie gross ist der Wirkungsgrad eines Atomkraftwerks?

Aus technisch-physikalischen Gründen können nur rund 30% der bei der Kernspaltung frei werdenden Energie in Strom umgewandelt werden. Die restlichen 70 Prozent verpuffen durch den Kühlturm in die Atmosphäre oder erwärmen Flüsse, Seen und Meere.Der Wirkungsgrad von Systemen, die Wärme in Bewegung umwandeln, ist begrenzt durch die beiden Temperaturen, zwischen denen sie arbeiten: Der heissen (also z.B. der Dampftemperatur) und der kalten (also z.B. der Kühlwassertemperatur).

Werden bei Kühlung mittels Kühltürmen anstelle von Naturzug-Kühltürmen so genannte Hybrid-Kühltürme verwendet, sinkt der Wirkungsgrad nochmals erheblich, weil ein Teil der erzeugten Elektrizität für den Betrieb der eingebauten Ventilatoren verwendet wird.

Der Wirkungsgrad der verschiedenen Kraftwerke beträgt durchschnittlich:

·   Kohlekraftwerk                  ≈ 45 %

·   Atomkraftwerk                   ≈ 30 %

·   Wärme-Kraft-Koppelung   > 80 %

·   Gaskraftwerk                     < 60 %

·   Windkraftanlagen               ≈ 50 %

·   Wasserkraftwerke              ≈ 90 %

·   Biomasse                           ≈ 40 %

·   Kehrichtverbrennung         ≈ 45 %

·   Erdölkraftwerk                   ≈ 45 %

·   Photovoltaik                       ≈ 15 %

1.6 Wie viele Atomkraftwerke gibt es in der Schweiz / weltweit?

Schweiz:

2015 sind an vier Standorten insgesamt fünf Reaktoren in Betrieb.

Reaktor

Inbetrieb-

nahme

Still-

legung

Leistung (MW)

Jahresproduktion GWh (2013)

Besitzverhältnisse

Beznau 1

1969

2029*

365

3‘012

Axpo 100%

Beznau 2

1971

2031*

365

2‘846

Axpo 100%

Mühleberg

1972

2019**

373

2‘940

BKW 100%

Gösgen

1979

?

985

6‘382

Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG

(Alpiq 40%, Axpo 25%,             CKW 12,5%, Stadt Bern 7,5%, Stadt Zürich 15%)

Leibstadt

1984

?

1‘220

9‘691

Kernkraftwerk Leibstadt AG, (Axpo 52,7%, Alpiq 27,4%,  Kanton Aargau 5,4%, BKW 9,5%, EOS 5,0%)

Total

 

 

3‘308

24‘871***

 

 

*Vorläufiger Beschluss Nationalrat 2014 // **Entscheid BKW aus wirtschaftlichen Gründen // ***36,4% der Netto-Stromproduktion in der Schweiz

Weltweit (2013)

·   In Betrieb: 434 Reaktoren, Gesamtleistung 370 543 MW (2013)

·   Im Bau:  68 Reaktoren, davon 10 länger als 15 Jahre

·   Stillgelegt: 122 Reaktoren, grösstenteils kleine Forschungsreaktoren. Bis 2010 wurden zwei 1000-Megawatt-Reaktoren vom Netz genommen (beide in Litauen), In Zusammenhang mit der Atomkatastrophe von Fukushima wurden in Deutschland  7 Reaktoren vom Netz genommen, in Japan alle 53 (2 inzwischen wieder in Betrieb).

www.iaea.org/programmes/a2/index.html

1.8 Weshalb braucht ein Atomkraftwerk einen Kühlturm?

In einem Atomkraftwerk werden die Generatoren zur Stromerzeugung von einer Dampfturbine angetriebenen. 

Der Wirkungsgrad der Energieumwandlung hängt von der Dampftemperatur ab. Entscheidend ist der Temperaturunterschied zwischen Eintritt und Austritt des Dampfes. Kühltürme haben die Aufgabe, den Dampf nach Verlassen der Turbine zu kondensieren. 

Bei Kohlekraftwerken kann die Eintrittsdampftemperatur heute bis 600 Grad Celsius betragen, was einen Wirkungsgrad bis 45 % ergibt. Atomreaktoren ermöglichen die Erzeugung von Dampf um die 300 Grad Celsius, daher der niedrigere Wirkungsgrad von nur 30 %. Höhere Temperaturen würden in den Siedewasserreaktoren die Kernspaltungsprozesse bremsen. 

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1.9 Was ist ein Hybrid-Kühlturm?

Beim Hybrid-Kühlturm wird der Kühlvorgang durch Ventilatoren verstärkt. 

Ein Hybrid-Kühlturm hat entweder im unteren Bereich Ventilatoren, die den Luftstrom nach oben drücken oder im oberen Bereich Ventilatoren, die den Luftstrom ansaugen.  Im oberen Bereich des Kühlturmes werden die Dampfschwaden mittels Wärmetauschern so aufgeheizt, dass sie unsichtbar werden.

Hybridkühltürme sind als Bau weniger hoch als Naturzugkühltürme und es ist, bei gleich viel Feuchtigkeitsabgabe, keine Dampffahne zu sehen. Bei den Bewilligungsverfahren sind deshalb weniger Einsprachen und allgemein weniger Widerstände zu erwarten. Das ist wohl der Hauptgrund, weshalb heute vor allem Hybridkühltürme in Betracht gezogen werden. Hybrid-Kühltürme haben gegenüber Naturzug-Kühltürmen zwei gewichtige Nachteile: Sie verbrauchen für die Ventilatoren beträchtliche Mengen an Strom, was den Wirkungsgrad des Atomkraftwerks spürbar verschlechtert, ausserdem sind sie teurer in Bau und Betrieb. 

Von der Funktion her sind Hybrid- und Naturzug-Kühltürme gleichwertig: Sie kühlen, was zu kühlen ist.

1.10 Wie viel Wasser verdampft ein Kühlturm?

1 m3 pro Sekunde bei einem Atomkraftwerk von 1'000 Megawatt Nettoleistung, was dem Atomkraftwerk Gösgen entspricht. Dort verdampft der Kühlturm etwa einen Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Das entspricht der Feuchtigkeit, die aus der Oberfläche des Bodensees verdunstet.

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1.11 Weshalb wird in der Schweiz bei neuen Atomkraftwerken nicht mehr mit Flusswasser gekühlt?

In den Siebzigerjahren verbot der Bundesrat die Kühlung der Atomkraftwerke durch Flusswasser, um eine weitere Erwärmung der Flüsse Aare und Rhein zu verhindern. Deshalb wurden die später gebauten Atomkraftwerke Gösgen und Leibstadt mit Kühltürmen versehen. Mit Flusswasser gekühlt werden nach wie vor die Atomkraftwerke Beznau I und II und Mühleberg.

Bei Kühlung mittels Kühltürmen wird das Flusswasser zwar nicht mehr erwärmt, aber es wird Flusswasser verdampft: Zirka 1 m3/Sekunde bei einem 1'000-Megawatt-Atomkraftwerk (Gösgen und Leibstadt). Was sich entsprechend auf das Mikroklima auswirkt, ist doch 1 m3 ungefähr die gleiche Wassermenge, die der Bodensee ( in einem viel grösseren Umfeld) verdunstet.

Bei extremen Temperaturverhältnissen im Sommer muss unter Umständen die Leistung eines flusswassergekühlten Atomkraftwerks heruntergefahren werden, um eine übermässige Erhitzung des Flusswassers zu verhindern.

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1.12 Weshalb braucht ein Atomkraftwerk ein Hochkamin?

Dass Atomkraftwerke auch im Normalbetrieb Radioaktivität an die Umgebung abgeben, bestreitet niemand. Die Abgabe erfolgt meist nachts in konzentrierter Form, der besseren Verteilung wegen über ein Hochkamin. Es sind vor allem radioaktive Edelgase, die auf diese Weise entsorgt werden.

Die AKW-Betreiber betrachten die abgegebenen Dosen im Vergleich zur natürlichen Radioaktivität als vernachlässigbar. Kritiker machen darauf aufmerksam, dass es nicht nur auf die Dosis ankommt, sondern auch auf die Art der Strahlenquellen. Der Umstand, dass die künstliche Radioaktivität aus ganz anderen Quellen stammt als die natürliche wird von der Elektrizitätswirtschaft als bedeutungslos erachtet.

Es gibt Studien und Beobachtungen, die eine negative Auswirkung auf die Umgebung von Atomkraftwerken in Form von erhöhter Krebshäufigkeit, z.B. Leukämie bei Kindern, und Missbildungen belegen.

Jede zusätzliche Strahlenbelastung addiert sich zur natürlichen und erhöht somit das gesundheitliche Risiko. 

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1.13 Was kostet ein neues Atomkraftwerk?

Die Baukosten für neue Atomkraftwerke wurden bisher massiv unterschätzt:

Finnland: Ein seit 2005 im Bau befindlicher EPR-Reaktor in Olkiluoto  wurde 2003 für etwa 3 Milliarden Euro offeriert. Bei Inbetriebnahme 2016 wird mit Kosten von 8,5 Milliarden Euro gerechnet. (Wikipedia 2013)

England: Die Kosten für die beiden Druckwasserreaktoren vom Typ EPR von «Hinkley Point C» werden von der EU aktuell ((2014) auf 43 Milliarden Euro geschätzt.

1.14 Wie lange bleiben Atomkraftwerke in Betrieb?

Für die Siedewasserreaktoren von Beznau I und II und Mühleberg sind 50 Jahre Gesamtbetriebsdauer vorgesehen, für die Druckwasserreaktoren von Gösgen und Leibstadt 60 Jahre.

Stilllegung:

  • Beznau I 2019
  • Beznau II 2022
  • Mühleberg 2022
  • Gösgen 2038
  • Leibstadt 2044

Eine Volksinitiative verlangt für Beznau I die Stillegung 1 Jahr nach Annahme der Initiative und für die übrigen Atomkraftwerke 45 Jahre nach deren Inbetriebnahme.

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1.15 Welche Vorteile haben Atomkraftwerke?

Atomkraftwerke erzeugen Strom, sie produzieren zusammen mit den Flusskraftwerken dieBandenergie, die rund um die Uhr benötigt wird und decken damit die so genannte Grundlast ab.Nachts verwendet man überschüssigen Grundlaststrom für die Pumpspeicherung.

Ein weiterer Vorteil ist die hohe Energiedichte von Uran. Die Vorratshaltung wird vereinfacht und es fallen weniger Transporte an als z.B. bei Kohlekraftwerken. Eine Liste des Bundesamtes für Energie (BFE) von 2006 weist einen Bestand von 2‘079 Tonnen Uran und 2,4 Tonnen Plutonium auf, die die Schweizer Atomwirtschaft im Ausland lagert und zwar in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Schweden und den USA, an insgesamt einem Dutzend Standorten, darunter auch im berüchtigten Majak. Ein 1'200 MW-Reaktor benötigt etwa 30 Tonnen Uran pro Jahr. Das für die Schweiz gelagerte Material sichert den Bedarf für zwei bis drei Jahre. 

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1.16 Was geschieht mit dem Material, das bei einer Stilllegung anfällt?

Das radioaktiv kontaminierte Material muss wie Atommüll entsorgt werden. Es wird in einem Zwischenlager untergebracht und schliesslich in einem Endlager (falls vorhanden) deponiert.

1.17 Wer bezahlt die Stilllegung?

Stilllegung und Entsorgung müssen laut Gesetz von den Betreibern der Atomkraftwerke finanziert werden. Zu diesem Zweck werden Fonds geäufnet. Einerseits durch regelmässige Beiträge der AKW-Betreiber, andererseits durch die erwirtschafteten Renditen auf dem Anlagemarkt. Die Stilllegungs- und Entsorgungskosten sind ein finanzielles Risiko. Im November 2014 hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) Alarm geschlagen: «Fehlende Ressourcen beim Stilllegungs- und Entsorgungsfonds stellen ein hohes finanzielles Risiko für den Bund dar. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) ist über die Situation besorgt.» Laut dem Bericht der EFK fehlen im Stilllegungs- und Entsorgungsfonds rund 6 Milliarden Franken: Statt 11,3 Milliarden lagen Ende 2013 im Fonds bloss 5,3 Milliarden. Wenn die AKW-Betreiber weiterhin ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkämen, laufe der Bund Gefahr, «die fehlenden Mittel bereitstellen zu müssen». Die Finanzkontrolle weist in ihrer Medienmitteilung auch auf andere finanzielle Risiken hin: «Rechtsunsicherheit» und «Kostensteigerungen» seien in ihren Berechnungen nicht berücksichtigt worden.

(Quelle: INFOSPERBER, 3. Mai 2015)

Anton Gunzinger kommt in seinem Buch „Kraftwerk Schweiz“ auf wesentlich höhere Zahlen: 38 Milliarden für Stilllegung der bestehenden Werke, Bau und Betrieb der Endlager (Seite 90)

Wegen Verzögerungen könnten die Kosten der Atommüllentsorgung in Deutschland deutlich höher ausfallen als bisher berechnet. Michael Müller (SPD), der Vorsitzende der deutschen Endlagerkommission, erklärte gegenüber der «Frankfurter Rundschau», die Kosten der bisher angenommenen 36 Milliarden Euro könnten sich auf 50 bis 70 Milliarden Euro erhöhen, und er warnt: «Auf den Staat kommen erhebliche finanzielle Risiken zu.»

(Quelle: INFOSPERBER, 3. Mai 2015)

2. Fragen zu den Themen „Uran“ und „Brennstoff“

2.1 Was ist Uran?

Uran (Symbol U, Ordnungszahl 92) ist ein weiches, silberweisses, radioaktives Schwermetall, das in der Erdkruste sehr häufig vorkommt, aber meist in einer Konzentration, die so gering ist, dass sich der Abbau nicht lohnt. 

Uran ist, wie alle Schwermetalle, chemisch sehr giftig, in löslicher Form in den Körper aufgenommen schädigt es die Nieren. In der Natur kommt Uran in 230 verschiedenen, sauerstoffhaltigen Mineralien vor (Oxide, Phosphate, Silikate, Arsenate usw.)

Von Uran sind heute 25 Isotope mit Halbwertszeiten zwischen 1μs und 4,468 Milliarden Jahren bekannt. In der Natur kommen nur die Isotope mit langen Halbwertszeiten vor, die kurzlebigen stammen alle von künstlichen Kernreaktionen. Die langlebigen Uran-Isotope sind vorwiegend Alphastrahler

Isotop (Beispiele)

Häufigkeit

Halbwertszeit

U-238

99.275%

4.468 Milliarden Jahre

U-235

0.72%

803.8 Millionen Jahre

U-234

0.0055%

245'500 Jahre

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2.2 Wo wird Uran abgebaut?

Laut IEAO befinden sich die grössten Uranerzvorkommen in den USA, in Niger, Australien, Kasachstan, Namibia, Südafrika, Kanada, Brasilien, der Ukraine und in Usbekistan. Nach gegenwärtigen Fördermengen ergibt sich folgende Rangfolge: Australien, Kanada, Russland, Niger, Namibia, Kasachstan, Usbekistan, Südafrika und USA. Die fünf grössten Firmen decken 70% des Weltbedarfs.

Die grössten Uranvorräte liegen auf Territorien indigener Völker, was schon als „Laune der Natur“ bezeichnet wurde.

Ein 1'200 MW-Reaktor benötigt etwa 30 Tonnen Uran pro Jahr. Schätzungen, wie lange die abbauwürdigen Uranreserven reichen, liegen je nach Quelle zwischen 25 und 200 Jahren. Heute werden in der Regel 70 Jahre angegeben für die weltweit in Betrieb stehenden Reaktoren.

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2.3 Wie werden Brennstäbe und Brennelemente hergestellt?

Angereichertes Natururan (Uran-238 plus 3,5% bis 4,5% Uran-235) sowie Plutonium-239, respektive Plutonium-241 wird in Form von Tabletten (Pellets) in Brennstäbe, d.h. Edelstahl- oder Zirkoniumrohre von 1,5 cm Durchmesser und 3 – 4 Meter Länge, eingefüllt. Dabei ist das spaltbare Metall nicht rein, also metallisch, sondern in Oxidform in Tabletten gepresst worden.

Im Druckwasserreaktor werden 236 Brennstäbe zu einem Brennelement zusammengefasst und in dieser Form in den Reaktor eingesetzt. Brennelemente für Siedewasserreaktoren bestehen aus 63 Brennstäben.

Nach etwa drei Jahren müssen Brennelemente ausgewechselt werden, der Gehalt an spaltbarem Uran ist von etwa 4% auf unter 1% gesunken. Abgebrannte Brennelemente sind hochradioaktiv und enthalten bis zu 200 Spaltprodukte. Sie entwickeln auch nach der Entnahme aus dem Reaktor Wärme (Nachzerfallswärme), werden in so genannten Abklingbecken gelagert und müssen dort dauernd gekühlt werden.

2.4 Woher bezieht die Schweiz das Uran?

Für das Atomkraftwerk Leibstadt wurde 1996 in Russland, den USA, Südafrika, Namibia und Zentralafrika Uran eingekauft. Beznau gibt keine Auskunft. Das Uran für Mühleberg stammt aus den USA. Gösgen gibt nur sparsam Auskunft; bekannt ist, dass früher in Nordamerika, Europa und Afrika Uran eingekauft und in den USA weiter verarbeitet wurde. Neuerdings wurde offenbar Uran aus abgewrackten Atomwaffen (z.B. Mehrfachsprengköpfen von Interkontinentalraketen) aus Russland bezogen. Auch Reaktoren von abgewrackten Atom-U-Booten sind eine mögliche Quelle. (Quelle: Susan Boos, „Strahlende Schweiz“ 1999)

Eine Liste des Bundesamtes für Energie (BfE) von 2006 weist einen Bestand von 2‘079 Tonnen Uran und 2,4 Tonnen Plutonium auf, die die Schweizer Atomwirtschaft im Ausland lagert und zwar in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Schweden und den USA. An insgesamt einem Dutzend Standorten, darunter auch im berüchtigten Majak. Das gelagerte Material sichert den Bedarf für die schweizerischen Atomkraftwerke für zwei bis drei Jahre, aus dem hochgiftigen und hochradioaktiven Plutonium liessen sich theoretisch rund 300 Atombomben herstellen. (SonntagsZeitung 23.April 2006)

2.5 Wie lange reichen die Welt-Uranvorräte?

Uran ist in den Gesteinen der Erde und im Meerwasser (0,3 Milligramm pro Liter) reichlich vorhanden. Aber wo und wie es auf rentable Art gewonnen werden kann, ist eine andere Frage. Steigen die Preise, was zu erwarten ist, werden weitere Reserven abbauwürdig. Grenzen setzt aber nicht nur der Preis, sondern auch der Energieeinsatz, der für die Gewinnung nötig ist. 

Im Jahre 2006 wurden insgesamt 39'603 Tonnen Uran gefördert, der Verbrauch betrug gleichzeitig 66'500 Tonnen. Dies war nur möglich dank Uran aus abgewrackten Atomwaffen. Verursacht durch den geplanten Bau neuer Atomkraftwerke soll laut IAEO der Bedarf bis 2030 auf jährlich 94'000 bis 122'000 Tonnen steigen.

Schätzungen, wie lange die abbauwürdigen Uranreserven reichen, liegen je nach Quelle zwischen 25 und 200 Jahren. Das Bayerische Wirtschaftsministerium rechnet mit 37 Jahren. Vor Fukushima war vorgesehen, dass bis im Jahre 2030 gegen 400 neue Reaktoren in Betrieb gehen sollten, allein in China waren 2011 gegen 60 Reaktoren im Bau. Die OECD schlug (vor Fukushima) den Bau von 1'300 weiteren Atomkraftwerken vor.

Das Uran ist ein nicht erneuerbarer Energieträger, es geht auf jeden Fall eines Tages zu Ende. Je mehr Atomkraftwerke zusätzlich gebaut werden, desto weniger lang reicht der Vorrat. Ernsthafte Versorgungsengpässe könnten zeitlich mit denjenigen beim Erdöl zusammenfallen und wie beim Erdöl zu Kriegen führen.

Hoffnungen auf den Schnellen Brüter aus den Weltmeeren müssen aus technischen und wirtschaftlichen Gründen als Illusion bezeichnet werden.

3. Fragen zum Thema Radioaktivität

3.1 Was ist Radioaktivität?

Gewisse chemische Elemente sind instabil, das heisst ihre Atomkerne zerfallen im Lauf der Zeit spontan unter Aussendung ionisierender Strahlen. Diese Eigenschaft von Stoffen wird als Radioaktivität bezeichnet. Dabei ändert sich in der Regel die Anzahl Protonen im Kern, also die Ordnungszahl, und damit auch der Name des Elements.

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden oft die Begriffe „radioaktive Strahlung“ oder „radioaktive Strahlen“ verwendet. Dieser Begriffe sind falsch, denn nicht die Strahlung oder die Strahlen sind radioaktiv, sondern die Stoffe, die sie aussenden. Korrekterweise sollte man immer von „ionisierender Strahlung“ reden, denn eine der Haupteigenschaften dieser Strahlung ist es, die Stoffe, auf die sie treffen, zu ionisieren, das heisst aus einzelnen Atomen dieser Stoffe Elektronen herauszulösen. Die betroffenen Atome bleiben danach elektrisch geladen als Ionen zurück. Deshalb der Ausdruck „ionisierende“ Strahlung.

Korrekt heisst es also:
„Radioaktive Stoffe erzeugen beim radioaktiven Zerfall ionisierende Strahlen/Strahlung.“

Weiter:
Radioaktivität (Strahlenarten)

3.2 Wie wird Radioaktivität gemessen?

Messung der Strahlungsintensität:
Ionisierende Strahlung wird oft mit dem so genannten Geigerzähler gemessen, einem Gerät, das  vom Physiker Hans Geiger entwickelt und von seinem Assistenten Walther Müller entscheidend verbessert wurde. Das Gerät heisst denn auch „Geiger-Müller-Zählrohr“.

Das Zählrohr ist mit Edelgas (z.B. Argon oder Krypton) gefüllt. Ionisierende Strahlung löst aus den Atomen des Edelgases Elektronen heraus, die im angelegten elektrischen Feld beschleunigt werden und schliesslich ein Knacken auslösen oder ein Lämpchen aufblinken lassen. So kann die Aktivität, also die Anzahl Zerfälle pro Sekunde, gemessen werden. Die Aktivität wird in Becquerel (Bq) angegeben. Heikel ist die Frage, auf welche Art Strahlung und auf Strahlung welcher Energie das Messgerät überhaupt anspricht: Wenn die Strahlung gar nicht ins Innere des Zählrohrs gelangen kann oder zu wenig Energie hat, um ein Edelgas-Atom zu ionisieren, kann sie so nicht nachgewiesen werden.

Messung der Strahlendosis:
Mit so genannten Dosimetern wird die Summe der empfangenen Strahlung über eine bestimmte Zeit gemessen. Dosimeter werden häufig zur Kontrolle von Personen, die im Bereich von Nuklearanlagen arbeiten, verwendet. Sie werden am Körper getragen und können mit einem Alarmsignal versehen sein, das anspricht, sobald die erlaubte Gesamtdosis erreicht ist.

Personendosimeter gibt es als Füllhalterdosimeter (so genannt wegen ihrer Form) oder als Filmdosimeter, in denen ein Film durch die ionisierende Strahlung geschwärzt wird. Füllhalterdosimeter können auf null zurückgestellt werden, Filmdosimeter nicht. Die Dosis wird in Gray (Gy) angegeben.

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3.3 Welche Arten ionisierender Strahlen gibt es?

Beim radioaktiven Zerfall entstehen drei verschiedene Arten von ionisierender Strahlung:

Alphastrahlung ist Teilchenstrahlung: Die Alphateilchen sind sich schnell bewegende (107 m/s), positiv geladene Heliumkern und werden durch elektrische oder magnetische Felder abgelenkt. Alphastrahlen lassen sich bereits durch ein Blatt Papier abschirmen. In der Luft kommen sie wenige Zentimeter weit, im Körpergewebe etwa einen Zehntelmillimeter. Ein Alphastrahler ist ein zerfallsfähiger Atomkern, der beim Zerfall Alphateilchen aussendet: Ein Beispiel ist das bei der Atomspaltung im Reaktor entstehende, chemisch hochgiftige Plutonium. Plutoniumpartikel, die sich in der Lunge festsetzen, sind in der Lage Krebs auszulösen. Bei einer biologischen Halbwertszeit von 50 Jahren bleiben sie jahrelang im Körper und haben so Gelegenheit, die Lunge von innen zu bestrahlen.

Betastrahlung ist eine Elektronenstrahlung. Sie entsteht bei Zerfall von Atomkernen, die einen Überschuss an Neutronen enthalten. Beim Zerfall verwandelt sich ein Neutron in ein positiv geladenes Proton und ein die Betastrahlung bildendes negatives Elektron. Betastrahlen übertragen Energie auf das Material, in das sie eindringen. Die Eindringtiefe ist in der Regel gering, beim Menschen werden bei Bestrahlung von aussen vor allem Verbrennungen an der Hautoberfläche verursacht. Wenn Stoffe, die Betastrahlung abgeben, in den Körper aufgenommen (inkorporiert)  werden, kann es  bei Iod-131 zu Schilddrüsenkrebs, bei Strontium-90 zu Knochenkrebs und Leukämie kommen. Um nach einer Atomkatastrophe die Aufnahme von Jod in die Schilddrüse zu verhindern, werden an die Bevölkerung in der Umgebung eines Atomkraftwerks in der Schweiz Jodtabletten abgegeben. Damit wird die Schilddrüse mit Jod gesättigt, sodass das radioaktive Jod vom Körper ausgeschieden statt in der Schilddrüse abgelagert wird. Die Strontiumaufnahme kann nicht verhindert werden. Der Körper kann Strontium nicht von Calcium unterscheiden und lagert es deshalb in den Knochen ab. Von Bedeutung ist in beiden Fällen, nebst der Menge des aufgenommenen Materials, auch die biologische Halbwertszeit. 

Bei der Gammastrahlung handelt es sich, im Gegensatz zur Alpha- und Betastrahlung, nicht um eine Teilchenstrahlung, sondern um elektromagnetische Wellen von sehr kurzer Wellenlänge (unter 0,5 nm). Gammastrahlen sind physikalisch mit Röntgen- oder Lichtstrahlen verwandt und haben eine grosse Durchdringungskraft. Sie lassen sich nur mit grossem Aufwand, meist mittels dicker Bleiplatten, abschirmen (mindestens 20 cm Blei oder 1 m Beton). Gammastrahlung verursacht Schäden im menschlichen Körper. Sie beeinflusst die Zellteilung, was zu den Symptomen der Strahlenkrankheit, zu Missgeburten oder zu genetischen Schäden führt. Im Gesundheitswesen werden Gammastrahlen zur Tumorbekämpfung eingesetzt, in der Technik für Materialkontrollen (Füllstandsmessungen und Kontrolle von Rohren und Kesseln auf Korrosionsschäden oder Schäden an Schweissnähten).

Ionisierende Strahlung kann vom Menschen mit den Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden, sie lässt sich nur mit Messgeräten feststellen. Das macht sie besonders heimtückisch.

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3.4 Welche Auswirkungen hat die ionisierende Strahlung auf den Menschen?

Menschen, die ionisierender Strahlung ausgesetzt sind, haben je nach Intensität der Strahlung und der aufgenommenen Gesamtdosis mit folgenden Wirkungen zu rechnen:

Abtöten von Körperzellen. Folge einer grossen Zahl von Zellabtötungen ist die so genannte Strahlenkrankheit (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Fieber, innere Blutungen), die ab Strahlendosen von etwa 5 Sievert innerhalb von 1 bis 2 Wochen zum Tod führt.

Mutation von Körperzellen. Folge dieser Veränderung des Bauplans der Zellen ist häufig die Wucherung des Zellgewebes; es entsteht früher oder später ein durch Strahlen ausgelöster Krebs. Bei Schwangeren kann es zu Missbildungen des Ungeborenen kommen.

Mutation von Keimzellen. Die Folgen zeigen sich in Form von genetischen Schäden nicht unmittelbar im bestrahlten Organismus, sondern erst bei seinen Nachkommen in Form von Missbildungen, Stoffwechselstörungen oder Totgeburten.

Schwächung des Gesamtorganismus. Bei kleineren Strahlenmengen werden die Abwehrkräfte des Körpers geschwächt bis hin zu einer bleibenden Schädigung des Immunsystems.

Ionisierende Strahlung kann vom Menschen mit den Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden, sie lässt sich nur mit Messgeräten feststellen. Das macht sie besonders heimtückisch. In der Wissenschaft geht man allgemein davon aus, dass es in Bezug auf die Schädigungen durch ionisierende Strahlung keine harmlose Dosis, also keinen Grenzwert, gibt. Das bestätigt auch eine 2015 veröffentlichte Studie der WHO

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3.5 Was versteht man unter „Halbwertszeit“?

Die Halbwertszeit gibt an, in welcher Zeit die Hälfte einer radioaktiven Stoffmenge zerfallen ist.

Radioaktive Elemente zerfallen in materialspezifischen Zeiten unter Aussendung ionisierender Strahlen in andere Elemente. Nach Ablauf der Halbwertszeit ist jeweils noch die Hälfte des ursprünglichen Materials vorhanden, nach einer weitere Halbwertszeitperiode noch ein Viertel usw. Die Halbwertszeiten sind sehr unterschiedlich: von Sekundenbruchteilen bis zu Milliarden von Jahren.

Der Zerfall radioaktiver Elemente lässt sich nicht beeinflussen. Die Halbwertszeit bleibt gleich, auch wenn das strahlende Material chemische Verbindungen eingeht oder sonst wie, z.B. durch Hitze, behandelt wird. 

Physikalische Halbwertszeiten

Americium-241

432

Jahre

Cäsiumm-137

30

Jahre

Jod-131

8

Tage

Jod-129

15.7 Millionen

Jahre

Kaluim-40

1.3 Milliarden

Jahre

Kohlenstoff-14

5'370

Jahre

Plutonium-239

24'100

Jahre

Polonium-214

0.00016

Sekunden

Radon2222

3.8

Tage

Radium-226

1'600

Jahre

Strontium-90

28.8

Jahre

Tritium

12.3

Jahre

Uran-235

700 Millionen

Jahre

Biologische Halbwertszeit

Nebst der physikalischen Halbwertszeit gibt es die so genannte biologische Halbwertszeit. Diese spielt eine Rolle, wenn ein radioaktiver Stoff durch die Atmung, mit Getränken oder Speisen in den Körper aufgenommen (inkorporiert) wird. 

Die biologische Halbwertszeit gibt an, in welcher Zeit die Hälfte der betreffenden Substanz vom Körper wieder ausgeschieden wird.

Bei Plutonium-239 beträgt die biologische Halbwertszeit 50 Jahre, d.h. nach 50 Jahren ist immer noch die Hälfte des aufgenommenen Plutoniums im Körper vorhanden. Die Leiche einer Person, die zu Lebenszeiten Plutoniem inkorporiert hatte (oder deren Asche), muss deshalb wie Atommüll behandelt werden.

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3.6 Welche Spaltprodukte entstehen im Reaktor?

Alle überhaupt denkbaren!

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3.7 Geben Atomkraftwerk auch im Normalbetrieb Radioaktivität an die Umgebung ab?

Ja. Im Inneren des Sicherheitsbehälters herrscht ein ständiger Unterdruck. Die Abluft der Pumpen, die diesen Unterdruck erzeugen, enthält radioaktive Substanzen und wird über ein Filtersystem, das gewisse Stoffe zurückhalten kann, paketweise, vorwiegend nachts, über ein Hochkamin abgegeben. Problematisch sind in dieser Abluft die radioaktiven Edelgase, die mit Filtern nicht zurückgehalten werden können. Mit dem Abwasser gelangt zudem radioaktives Tritium in Flüsse, Seen oder ins Meer und reichert sich dort in der Nahrungskette an.

Die AKW-Betreiber betrachten die abgegebenen Dosen als vernachlässigbar und vergleichen sie gerne mit der natürlichen Radioaktivität. Die AKW-Gegner verweisen auf Studien und Beobachtungen, die eine negative Auswirkung in Form von erhöhter Krebshäufigkeit, z.B. Leukämie bei Kindern, und Missbildungen erkennen lassen. Solche Studien werden von den Befürwortern regelmässig als „umstritten“ bezeichnet, Beobachtungen, wie diejenige von Cornelia Hesse-Honegger, werden ignoriert. Ausserdem werden Wissenschaftler in ihrer Arbeit behindert, sobald sich negative Auswirkungen des Normalbetriebes erkennen lassen. So beklagen sich zum Beispiel die Verfasser einer Leukämiestudie in Deutschland (2004 in der Elbmarsch) nach zahlreichen Behinderungen von Seiten der Behörden resigniert in ihrem Schlussbericht: „Wir haben das Vertrauen in diese Landesregierung verloren“. Ähnliche Erfahrungen machte auch John W. Gofman bei seinen Forschungsarbeiten.

Jede zusätzliche Strahlenbelastung addiert sich zur natürlichen und erhöht dadurch das Gesundheitsrisiko.

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3.8 Kann Radioaktivität Krebs auslösen?

Ja. Veränderungen im Bauplan der Körperzellen lösen Wucherung des Zellgewebes aus, es entsteht - oft erst nach Jahren - Krebs. Dabei spielen Strahlendosis, Art des strahlenden Stoffes und Dauer der Einwirkung eine Rolle. Selbstgeringste Strahlendosen können Krebs verursachen.

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3.9 Gibt es Krebsstatistiken für die Umgebung von Atomkraftwerken?

„Krebs ist in der Schweiz keine meldepflichtige Krankheit, aus diesem Grunde gibt es keine präzisen statistischen Zahlen zur Anzahl der Krebserkrankungen. In einigen Kantonen werden die Erkrankungsfälle in Krebsregistern erfasst. Die heute existierenden Register decken aber nur etwa die Hälfte  der Bevölkerung ab. Die statistischen Zahlen für die Gesamtbevölkerung werden auf der Basis der bestehenden Zahlen hochgerechnet.“
(Quelle: Krebsliga Schweiz 2008)

Bereits vor dem Bau des Atomkraftwerks Gösgen wurde auf parlamentarischer Ebene verlangt, die Krebsfälle in der Umgebung statistisch zu erfassen. Mit der Begründung, das sei nicht nötig und zu aufwendig, wurde das Begehren abgelehnt. So lässt sich ein Einfluss der im Normalbetrieb durch den Kamin und das Abwasser abgegebenen Radioaktivität auf die Gesundheit der Bevölkerung statistisch weder beweisen noch verneinen.

Es wäre wünschenswert, auch in der Schweiz eine Studie über Kinderkrebsfälle zu machen. Ein entsprechendes nationalrätliches Postulat wurde vom Bundesrat im März 2008 übernommen. Es steht unter dem Titel „Studie zu Kinderkrebs und AKWs für die Schweiz“. Um die Glaubwürdigkeit der Studie zu sichern, braucht es unter Federführung des Bundesamtes für Gesundheit aber ein unabhängiges Wissenschaftsgremium mit Einbezug von kritischen Fachleuten. Im Herbst 2008 wurde die so genannte Canupis-Studie über die Häufigkeit von Krebserkrankungen gestartet. Auf Grund der geringen Fallzahlen lassen sich möglicherweise keine eindeutigen Schlüsse aus der Studie ziehen. Was die Befürchtung weckt, die Befürworter der Atomenergie könnten sie als Beweis dafür nehmen, dass Atomkraftwerke keine negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung hätten.

Seit 1980 werden in Deutschland Krebsfälle bei Kindern bis 15 Jahre im Kinderkrebsregister erfasst. Die Ärzte melden Krebsfälle, wenn die Eltern einverstanden sind. Man geht davon aus, dass mit dem Register mehr als 95 Prozent der Leukämiefälle erfasst werden. Bisher liessen sich allein in Deutschland 59 Gebiete mit auffälligen Häufungen, so genannte Clustern, vier davon in der Nähe von Atomkraftwerken, erkennen.

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3.10 Kann Radioaktivität Missbildungen verursachen?

Ja. Bereits geringe Strahlendosen können bei Mensch und Tier Schäden an Embryonen verursachen oder zu Fehlgeburten führen. Auch bei Pflanzen lässt sich eine negative Wirkung beobachten. Leider werden auch wissenschaftlich hieb- und stichfeste Studien, die solche Nachweise erbringen, von der etablierten Wissenschaft in der Regel als „umstritten“ bezeichnet, abgelehnt oder ignoriert. 

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3.11 Was ist der Unterschied zwischen natürlicher und künstlicher Radioaktivität?

Natürliche Radioaktivität stammt aus Stoffen, die in der Erdkruste vorkommen und spontan radioaktiv zerfallen. Oder aus der kosmischen Strahlung, die permanent auf die Erde einwirkt. Die kosmische Strahlung ist eine Gammastrahlung und wird grösstenteils von der Lufthülle absorbiert. Aber eben nicht ganz, mit zunehmender Höhenlage nimmt die Intensität der kosmischen Strahlung zu. Im Verlauf der Evolution haben sich die Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Menschen) an diese Strahlung gewöhnt. In welchem Masse die kosmische Strahlung für die normal auftretenden Mutationen verantwortlich ist, lässt sich schwer sagen.

Künstliche Radioaktivität stammt aus Stoffen, die bei Kernspaltungsprozessen entstehen, also aus Stoffen, die es in der Natur so nicht gibt. 70 Prozent der durchschnittlichen Strahlenbelastung in der Schweiz stammt gemäss Swissnuclear von natürlicher Radioaktivität. Ein Viertel der Belastung kommt aus medizinischen Anwendungen wie Röntgendiagnostik usw. Fünf Prozent der Strahlenbelastung erfolgt aus Anwendungen in der Industrie. 

In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Jahresbelastung an ionisierender Strahlung pro Person durch 

kosmische Strahlung (n)

0.35

mSv

terrestrische Strahlung (n)

0.45

mSv

innere Bestrahlung (n, k)

0.4 

mSv

Radon in Wohnräumen (n, k)

1.6

mSv

Medizinische Anwendung (k)

1.0

mSv

Übrige:Fallout Atomversuche, Tschernobyl, Fukushima, Atomkraftwerke, etc. (k)

0.2

mSv

Total

4.0

mSv

(n = natürlich; k = künstlich)(Quelle: ENSI)

Diese Zahlen werden gerne von der Elektrowirtschaft als Argument verwendet, um die Gefährdung der Bevölkerung durch Atomkraftwerke zu bagatellisieren. Aber die Zahlen täuschen. In Bezug auf die Radioaktivität gibt es zwar drei physikalisch identische Strahlenarten, aber deren Wirkung hängt vom strahlenden Material, von der Art der Einwirkung und der Einwirkungsdauer ab. Wenn, wie oben, von der „radioaktiven Belastung der Bevölkerung“ die Rede ist bleibt unberücksichtigt, ob es sich um eine Belastung durch kosmische Strahlen handelt oder um eine solche durch Alphastrahlen aussendende Teilchen innerhalb des Körpers.

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4. Fragen zum Thema „Sicherheit“

4.1 Welche Sicherheitssysteme gibt es in einem Atomkraftwerk?

Die Sicherheit der Atomkraftwerke beruht auf drei Säulen:

1.     Passive (bauliche)Massnahmen

2.     Aktive (apparative) Massnahmen

3.     Schulung und Führung des Personals

Die Sicherheitsmassnahmen in einem Atomkraftwerk sind so ausgelegt, dass sie den GAU, den grössten anzunehmenden Unfall verhindern können. Die Massnahmen sollen verhindern, dass Radioaktivität in die Umgebung gelangt. Dass ein GAU nicht der grösstmögliche Unfall ist, wissen wir seit Tschernobyl und Fukushima.

 

1. Passive (bauliche) Massnahmen

In einem Atomkraftwerk sind sechs passive Sicherheitsbarrieren vorhanden:

·       Der Brennstoff selber, dessen Kristallstrukturen die radioaktiven Substanzen eingeschlossen halten.

·       Die gasdicht verschweissten Brennstabhüllen aus Zirkonium oder Edelstahl.

·       Der Reaktordruckbehälter aus 20 – 25 cm dickem Stahl.

·       Der gasdichte und druckfeste Sicherheitsbehälter (Containment) aus 4 cm dickem Stahl oder aus Spannbeton.

·       Rückhaltevorrichtungen für austretende Flüssigkeiten und Gase

·       Das Reaktorgebäude, eine Stahlbetonhülle aus 1,5 bis 2 Meter dickem Stahlbeton, der auch gegen Einflüsse von aussen (z.B. Flugzeugabstürze) schützt

 

 

2. Aktive (apparative) Massnahmen:

Alle sicherheitsrelevanten Komponenten müssen mehrfach vorhanden sein (Redundanzprinzip). Ausserdem wird darauf geachtet, dass die Aggregate nicht baugleich sind (Diversitätsprinzip), um den gleichzeitigen Ausfall infolge von Konstruktionsmängeln zu vermeiden. Bei einem Unfall im Atomkraftwerk Forsmark (Schweden) hatten alle vier Notstrom-Dieselmotoren versagt, weil sie baugleich waren.

Die sicherheitsrelevanten Systeme müssen räumlich getrennt und voneinander unabhängig sein, d.h. sie dürfen keine gemeinsamen Komponenten haben.

Zu den sicherheitsrelevanten Systemen gehören unter anderen

·       die Reaktorsteuer- und Überwachungssysteme

·       das Notkühlsystem

·       die Notstromversorgung

 

3. Organisatorische Massnahmen

Alle bisherigen Unfälle in Atomkraftwerken wurden ausgelöst durch eine „zufällige“ Häufung von teilweise belanglosen Umständen, verbunden mit oft mehreren, zum Teil unbegreiflichen Fehlern der Techniker oder des Betriebspersonals. Im Ernstfall stehen die Operateure unter einem enormen Druck. Einerseits besteht Zeitdruck, andererseits die Tendenz, keine Panik auszulösen oder ein vermeintlicher Zwang, den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen möglichst lange  aufrechtzuerhalten. Im Dokument „Reaktorunfälle“ sind eine ganze Reihe solcher Beispiele aufgeführt.

Absolut entscheidend für die Sicherheit eines Atomkraftwerks ist die Ausbildung des Personals auf Grund einer adäquaten Sicherheitsphilosophie. Erst seit kurzem verfügt das AKW Leibstadt über einen Übungsraum, der der Kommandozentrale exakt gleicht und in dem die Operateure wie in einem Simulator ausgebildet werden können. Piloten und Astronauten machen das schon lange!

Einen entscheidenden Faktor stellt die Zusammenarbeit zwischen Mensch und automatisierter Steuertechnik dar. Immer mehr werden Steuervorgänge von Computern übernommen (um menschliche Fehler zu vermeiden), was aber umgekehrt bedeutet, dass der Mensch auch in extremen Notsituationen unter Umständen gar nicht mehr in die Steuerung eingreifen kann. Auch in diesem Punkt stellt der Unfall im Atomkraftwerk Forsmark ein eindrückliches Beispiel dar: Das Betriebshandbuch untersagt es den Operateuren, in den ersten 30 Minuten nach einer Störung ins System einzugreifen. Nur weil sich die Operateure über diese Vorschrift hinwegsetzten (es gelang ihnen, nach 20 Minuten zwei der vier ausgefallenen Notstromdiesel von Hand in Gang zu setzen), wurde letztlich ein Kernschmelzunfall verhindert.

  

Fazit:

Um eine höchstmögliche Sicherheit zu erreichen wird  von Seiten der Nuklearindustrie ein sehr grosser Aufwand betrieben. Aber immer wieder verhalten sich einzelne Komponenten und Systeme ganz anders, als vorhergesehen. Es geschehen Dinge, an die niemand gedacht hatte und Menschen machen Fehler, von denen man angenommen hatte, sie würden nie passieren.

Es ist allen Beteiligten, auch den Atombefürwortern, klar, dass jedes technische System versagen kann. Wenn die deutsche Reaktorrisikostudie von 1989 einen schweren Unfall in 33'000 Jahren annimmt, so heisst das im Klartext: Irgendwann ist mit einem schweren Unfall zu rechnen. Wird der Wert von „1 schwerer Unfall in 33'000 Jahren“ auf den bestehenden deutschen Atompark hochrechnet, ergibt sich in Anbetracht der Anzahl Werke und Betriebsjahre bereits eine Wahrscheinlichkeit von 1,5 Prozent. Wobei in der Studie Sabotage oder panikartige Reaktionen des Betriebspersonals - wie in Harrisburg - nicht berücksichtigt sind.

„Es gibt einen einzigen politischen Entscheid, mit dem die Zerstörung des ganzen Landes bewusst in Kauf genommen wird, den Entscheid, Atomkraftwerke zu betreiben oder neu zu bauen.“(Gerhard Meister, Schriftsteller) 

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4.2 Sind Atomkraftwerke gegen Terroranschläge gesichert?

Um Terroranschläge zu verhindern wird alles Menschenmögliche getan, aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht. So wäre es beispielsweise möglich, dass Selbstmordattentäter ins Betriebspersonal eingeschleust werden und dort jahrelang als so genannte „Schläfer“ unentdeckt arbeiten. Auch Raketenangriffe oder gezielte Flugzeugabstürze sind denkbar.

Dass Kraftwerke durchaus ins Visier von Terroristen geraten können zeigt das Attentat von vermutlich islamistischen Terroristen auf ein Wasserkraftwerk in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien (NZZ vom 22. Juli 2010)

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4.3 Sind Atomkraftwerke gegen Flugzeugabstürze geschützt?

Einem Atomkraftwerk kann auch von aussen Gefahr drohen, beispielsweise durch Flugzeugabstürze. Auf Grund von Wahrscheinlichkeitsberechnungen sind Ereignisse dieser Art zwar selten zu erwarten, sie können aber nie ganz ausgeschlossen werden. Und der Zeitpunkt des Eintretens kann nicht vorhergesehen werden.. 

Nicht nur die Atomkraftwerke selber, sondern auch die unmittelbar daneben liegenden und weniger gut geschützten Abklingbecken enthalten mit den abgebrannten Brennelementen ungeheure Mengen an Radioaktivität.

In der Schweiz ist 1970 in Würenlingen eine Coronado der Swissair in der Nähe des Atomkraftwerks Beznau abgestürzt. Das Flugzeug hatte eine Geschwindigkeit von 800 km/h, während das Reaktorgebäude nur für Flugzeugabstürze bis 370 km/h ausgelegt ist. Zudem wurden die Berechnungen für Militärflugzeuge (z.B. des Typs Starfighter) durchgeführt. Die Bedrohung durch vollgetankte moderne Verkehrsflugzeuge ist wesentlich grösser.

Ein weiteres Beispiel: Im Jahre 1978 stürzte nur 8 Kilometer vom Atomkraftwerk Würgassen (Deutschland) entfernt im Tiefflug ein Kampfjet vom Typ Phantom ab. Das Reaktorgebäude hätte einem Aufprall von 450 km/h standgehalten. 

Im Dokument „Wahrscheinlichkeit von Unfällen“ sind weitere Beispiele aufgelistet die zeigen, dass sich auch äusserst unwahrscheinliche Ereignisse tatsächlich ereignet haben. 

Aus einem Zeitungsbericht: 

„Keiner der 19 deutschen Atommeiler ist so gegen einen Flugzeugabsturz gesichert, dass eine Atomkatastrophe als Folge ausgeschlossen werden kann.

Im Prinzip gingen die Experten von zwei Unfallszenarien aus: Im ersten zerstört ein Passagierflugzeug die Reaktorhülle. Im zweiten Szenario werden durch den Aufprall die Rohrleitungen im Inneren des Reaktors abgerissen. Die Studie kommt zu einem dramatischen Ergebnis: Zwar würden die Betonhüllen bei den sieben modernen Druckwasserreaktoren, die gegen den Absturz eines Phantom- Kampfjets ausgelegt sind, dem Aufprall einer Passagiermaschine standhalten, ein GAU wie in Tschernobyl ist aber möglich: Die Erschütterungen durch den Aufprall könnten zu schweren Zerstörungen im Inneren führen. Bei den drei neuen Siedewasserreaktoren (Krümmel, sowie Gundremmingen B und C) würde ein grösseres Verkehrsflugzeug sogar die Betonhülle durchschlagen. Noch verwundbarer sind die neun älteren Kernkraftwerke, bei denen schon durch den Absturz eines kleinen Verkehrsflugzeugs eine Katastrophe ausgelöst werden kann.“

(Süddeutsche Zeitung vom 30.12.2003)

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4.4 Sind Atomkraftwerke sicher?

Atomkraftwerke sind so sicher, wie Industrieanlagen sein können. Planer, Erbauer und Betreiber von Atomkraftwerken unternehmen alles, damit nichts passiert. Aber auch hier gilt Murphys Gesetz: „Alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen!“ Ein Unfall in den Dimensionen von Tschernobyl oder Fukushima hätte im dicht besiedelten Mitteleuropa verheerende Folgen, auch für die Nuklearindustrie selber. 

Jeder Atomreaktor ist mit einer Reihe von Sicherheitssystemen ausgerüstet.  Fehler beim Bau, technisches Versagen von Bauteilen, Fehler des Bedienungspersonals oder Situationen, an die niemand gedacht hat, können zu Katastrophen führen. 

Den Betreibern ist klar, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Die Frage „kann Tschernobyl auch bei uns passieren?“ beantwortet die Nuklearindustrie auf einer Website mit „dies ist kaum denkbar“. Aber „kaum“ genügt nicht. Bei einem Gefahrenpotential von diesem Ausmasse müsste absolute Sicherheit garantiert sein. Übrigens: Keine Versicherung der Welt ist bereit, Atomkraftwerke nach den üblichen Grundsätzen gegen Haftpflicht zu versichern. 

Ein besonderes Risiko stellen heute die Terroranschläge dar. Um sie zu verhindern wird alles Menschenmögliche getan, aber eine absolute Sicherheit gibt es auch in dieser Hinsicht nicht. Es ist beispielsweise denkbar, dass Selbstmordattentäter ins Betriebspersonal eingeschleust werden und dort jahrelang als so genannte „Schläfer“ unentdeckt arbeiten. Auch Raketenangriffe oder gezielte Flugzeugabstürze sind möglich.

Dass Kraftwerke durchaus ins Visier von Terroristen geraten können zeigt das Attentat von vermutlich islamitischen Terroristen auf ein Wasserkraftwerk in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien. (NZZ vom 22. Juli 2010)

Oder die Beschlagnahmung von waffenfähigem Uran in Moldawien:
„In Moldawien hat die Polizei zwei Kilogramm gestohlenes Uran-238 beschlagnahmt. Das radioaktive Material, das zum Bau einer so genannten schmutzigen Bombe verwendet werden kann, sei in einer Box in einer Garage in der Hauptstadt Chisinau entdeckt worden. Das teilten die Behörden gestern nach Angaben der Agentur Interfax mit. Woher das Uran stammt, ist unklar.Die Schmuggler hätten es für rund neun Millionen Euro verkaufen wollen, hiess es.“ (DPA / Basler Zeitung, 25. August 2010)

Wer Atomkraftwerke akzeptiert, akzeptiert auch das Risiko.

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4.5 Stellen Atomkraftwerke eine Gefahr dar?

Aktuelle Schäden und Risiken:

·       Sporadische Abgabe von radioaktiven Edelgasen durch Hochkamine

·       Abgabe von radioaktivem Tritium ins Abwasser

·       Verstrahlung des Personals durch unvorhergesehene Vorkommnisse bei Reparatur- und Wartungsarbeiten

·       Fehler des Betriebspersonals die zum Super-GAU führen

·       Missbrauch von spaltbarem Material zur Herstellung von Atomwaffen

Risiken bei unerwarteten Ereignissen:

·       Verstrahlung der unmittelbaren Umgebung bei der Öffnung des Containments nach einer Kernschmelze

·       Globale Verstrahlung nach einem Super-GAU 

·       Verstrahlung nach Reaktorunfall wegen Flugzeugabsturz auf Atomkraftwerk, Abklingbecken oder Zwischenlager

·       Verstrahlung nach Terroraktion gegen Atomanlagen oder Atomtransporte

Zukünftige Risiken:

·       Öffnung eines Reaktors nach einem Erdbeben oder nach anderen Naturereignissen

·       Zusammenbruch der Zivilisation infolge Krieg, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Entwicklungen und dadurch fehlende Betreuung bestehender, zum Teil  noch funktionierender Atomanlagen

·       Mangelnde Kenntnis über Standort und Betreuungsbedarf von Atommüll-Lagerstätten bei den nachkommenden Generationen

·       Nach dem Untergang unserer Zivilisation: Gefahren für neue Zivilisationen durch Atommülllager und eventuell nicht beseitigte oberirdische Atomanlagen

Einiges aus dieser Liste mag heute ziemlich absurd klingen. Aber alles ist theoretisch möglich und kann irgendwann geschehen. Wenn wir heute Entscheide treffen müssen, die unsere Nachkommen über hunderte von Generationen betreffen können, sollten wir uns die Mühe machen, etwas weiter als nur an die Energieversorgung für die nächsten Jahrzehnte zu denken.

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4.6 Gab es ausser Tschernobyl und Fukushima, noch andere schwere Unfälle in Atomanlagen?

Ja. Zum Beispiel den Unfall 1979 in Harrisburg, 1957 die Explosion eines Lagertanks in der Plutoniumfabrik von Majak (Russland).

Besonders gefährlich sind Kernschmelzunfälle mit Öffnung des Containments. Sie können ausgelöst werden durch:

·       Bruch der Hauptkühlleitung und gleichzeitigem Versagen der Notkühlung

·       Stromausfall mit komplettem Ausfall der Notstromversorgung.

·       Fehler des Betriebspersonals

Unfälle mit kompletter oder teilweiser Kernschmelze (bis 1989):

·       Fermi-Reaktor Detroit (USA) am 05.10.1966 

·       Lucens (Schweiz) am 21.01.1969

·       Saint-Laurent I (Frankreich) am 17.10.1969 (Störfall Stufe 4 auf der INES-Skala) ((Link Störfallskala))

·       Three Mile Island (Harrisburg, USA) am 28.03.1979

·       Tschernobyl am 26.04.1986 

·       Fukushima am 11.03.2011

Ausführliche Beschreibungen von Unfällen in Atomanlagen finden Sie unter den folgenden Links:

·       Asse II (Atommüll-Versuchslager mit Wassereinbruch)

·       Biblis (Bedienungsmannschaft ignoriert Warnlampe) 

·       Browns Ferry (Kerze verursacht Kabelbrand) 

·       Bugey (Stromausfall an Kommandopult und beim Reaktorschutzsystem) 

·       Cattenom (Probleme mit Ventilen und Brand im Kabelraum) 

·       Forsmark (die vier Notstromdiesel springen nach Stromausfall nicht an)

·       Fukushima (Atomkatastrophe nach Tsunami)

·       Gorleben (permanenter politischer Widerstand gegen Castortransporte und Pläne für Endlager) 

·       Gundremmingen (radioaktives Wasser flutet 3 Meter hoch das Reaktorgebäude) 

·       Harrisburg (Schläuche falsch angeschlossen, Warnlampe nicht bemerkt)

·       Lucens (Kernschmelze im ersten und einzigen Schweizer Reaktortyp) 

·       Majak (chemische Explosion setzt möglicherweise mehr Radioaktivität frei als Tschernobyl) 

·       Sellafield (seit 1955 zahlreiche Unfälle, zum Teil mit massiven Radioaktivitätsaustritten in die Umgebung) 

·       Tschernobyl (bisher schwerster Reaktorunfall, massive globale Verstrahlung) 

·       Würgassen (in Betrieb von 1971 – 1994, in dieser Zeit gab es 278 meldepflichtige Ereignisse)

Aktuelle Liste der Unfälle in Atomkraftwerken auf Google unter „internationale Meldeskala“ 

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4.7 Was ist ein GAU, was ein Super-GAU?

GAU ist die Abkürzung für „Grösster anzunehmender Unfall“. Darunter versteht man einen Kernschmelzunfall, bei dem die Radioaktivität im Reaktorgebäude zurückgehalten werden kann. Das Kürzel GAU bezeichnet nicht den grösstmöglichen, sondern den von der Auslegung des Atomkraftwerkes her gerade noch beherrschbaren Unfall. 

Reaktorkatastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima werden als Super-GAU bezeichnet.

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4.8 Was sind die Auswirkungen eines Super-GAU?

Eine grosse Rolle spielen die äusseren Umstände: Wenn ein Super-GAU mit einem Brand verbunden ist, wie z.B. in Tschernobyl, dann wird das radioaktive Material in grosse Höhe getragen und anschliessend über weite Gebiete verteilt. Entscheidend ist natürlich auch die Windrichtung und ob es zur Zeit des Unfalls regnet. Ist Letzteres der Fall, geht ein Grossteil der Radioaktivität in unmittelbarere Nähe des Unglücksortes nieder. Gut für die Welt, schlecht für die Bevölkerung am Unfallort. 

Am schlimmsten für die unmittelbare Umgebung ist das folgende Szenario:  Kein Brand nach der Kernschmelze, in der Region starke Niederschläge und absolute Windstille. Da bleibt auch bei sofortiger Information der Bevölkerung keine Zeit zur Evakuierung. In vielen Ländern existieren Notfallpläne, sie sind meistens geheim. 

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4.9 Was geschieht mit der Bevölkerung bei einem Super-GAU?

An die Bevölkerung werden Jodtabletten abgegeben. Dort, wo sie schon verteilt sind, wie zum Beispiel in den Zonen 1 und 2 des Atomkraftwerks Mühleberg, werden die Leute im Katastrophenfall aufgefordert, sie einzunehmen. 

Je nach Ausmass der Katastrophe müsste ein Teil der Bevölkerung evakuiert werden. Im Falle von Gösgen möglicherweise Millionen, weil bei Westwind die ganze Ostschweiz betroffen wäre. Wer gibt die Befehle? Wann? Wie? Wohin?  Die Evakuierung wird für viele dauerhaft sein, das heisst, man müsste eher von Umsiedlung sprechen. Auch hier wieder: Wie? Wohin? Wer soll/muss die Leute aufnehmen? Und in welchem Zustand sind sie? Was passiert in den Spitälern? Was passiert mit den bereits kontaminierten Leuten? Dürfen sie überhaupt die verseuchte Zone verlassen? Und wer würde sie daran hindern? Würden Polizei und Militär das Gebiet abriegeln und jeden Fluchtversuch mit Gewalt unterdrücken?

Eine Ahnung davon, was sich in dieser Situation abspielen könnte, gibt der Film „Die Wolke“ (nach einem Jugendbuch von Gudrun Pausewang). Das Theaterstück „Die leuchten in der Stille“ von Gerhard Meister zeigt die Schweiz vierzig Jahre nach einem Super-GAU (www.theatermarie.ch).

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4.10 Wie wahrscheinlich ist ein Super-GAU?

Um eine höchstmögliche Sicherheit beim Betrieb von Atomkraftwerken zu erreichen wird ein sehr grosser Aufwand betrieben. Aktive und passive Sicherheits- und Notfallsysteme versuchen Katastrophen nach Möglichkeit zu vermieden. Aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Die Frage „Kann Tschernobyl auch bei uns passieren?“ beantwortet die Nuklearindustrie auf einer ihrer Websites mit: „Dies ist kaum denkbar.“ Entscheidend in diesem Zusammenhang ist natürlich das Wörtchen „kaum“. Bei einem Gefahrenpotential in diesem Ausmasse müsste unbedingt absolute Sicherheit verlangt werden.

Wie gross das Gefahrenpotential bei Atomkraftwerken ist, zeigt die Tatsache, dass keine Versicherung der Welt bereit ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen, die die möglichen Schäden, die in die Billionen gehen können, auch wirklich abdeckt.

Jedes technische System kann versagen (entsprechend Murphys Gesetz „Alles was schief gehen kann, wird auch schief gehen.“) Wenn die deutsche Reaktor-Risikostudie von 1989 einen schweren Unfall in 33'000 Jahren annimmt, so bedeutet das im Klartext, dass er irgendeinmal geschehen kann. Wird der Wert von 1 schwerer Unfall in 33'000 Jahren auf den bestehenden deutschen Atompark hochrechnet, ergibt sich in Anbetracht der Anzahl Werke und der bisherigen Betriebsjahre bereits eine Wahrscheinlichkeit von 1,5 Prozent. Wobei in der Studie Sabotage oder panikartige Reaktionen des Betriebspersonals wie in Harrisburg, nicht berücksichtigt sind.

Risikostudien wie diejenige der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Deutschland oder die legendäre Rasmussenstudie von 1975 sollen den Eindruck erwecken, Atomkraftwerke könnten bedenkenlos betrieben werden. Aber auch eine noch so geringe Wahrscheinlichkeit ist keine Garantie! Was aufgrund von Berechnungen oder Erfahrungen als äusserst unwahrscheinlich gilt, kann jederzeit passieren. Dazu gibt es eindrückliche Beispiele aus dem täglichen Leben.

Es kein Null-Risiko. Ein gleichzeitiges Versagen noch so vieler Sicherheitsvorkehrungen kann niemals ganz ausgeschlossen werden. Wer Atomkraftwerke plant, baut, betreibt oder auch nur befürwortet, nimmt die Möglichkeit eines Super-GAUs mit all seinen Folgen in Kauf. 

Um auf die Frage zurückzukommen:

Ein Super-GAU in der Schweiz ist jederzeit möglich. Wer Atomkraftwerke befürwortet, sagt auch ja zu diesem Risiko. Absolute Sicherheit bietet nur der absolute Verzicht. 

„Es gibt einen einzigen politischen Entscheid, mit dem die Zerstörung des ganzen Landes bewusst in Kauf genommen wird, den Entscheid, Atomkraftwerke zu betreiben oder neu zu bauen.“(Gerhard Meister, Schriftsteller)

4.11 Welche Auswirkungen hat die Katastrophe von Tschernobyl?

In Russland selber wird der Unfall zuerst verschwiegen, erst nach zwei Tagen werden 135'000 Menschen aus der 30-km-Zone evakuiert. Sie müssen ihre Häuser ohne Vorwarnung auf unbestimmte Zeit verlassen. Im Zentrum des betroffenen Gebietes liegt die Stadt Pripjat, heute eine Geisterstadt die unbewohnbar bleibt. Der Boden im weiten Umkreis ist auch im Jahre 2010 immer noch stark radioaktiv belastet und darf landwirtschaftlich nicht genutzt werden. Um Tschernobyl ist eine Fläche von 2'900 km2, doppelt so gross wie der Kanton Aargau, für Jahrtausende unbewohnbar. 40 Prozent der Gesamtfläche Europas, inklusive die Schweiz, wurden mit Radioaktivität kontaminiert, vor allem mit Caesium-137.

Am Unfalltag selber sterben zwei Männer, in den Tagen darauf dreissig, weil sie bei Rettungsarbeiten gewaltige Strahlendosen absorbiert hatten. Heute spricht die Internationale Atomenergiebehörde  IEAO von 56 sofort Toten und 9'000 möglichen Toten. Für die Aufräumarbeiten und den Bau des Sarkophags wurden 800'000 Männer eingesetzt, 92 Prozent von ihnen sind erkrankt oder gestorben. Eine Kontrolle darüber, wie viele gestorben sind, wird nicht geführt. Man muss davon ausgehen, dass es Zehntausende sind. 

Wer noch lebt, leidet an den Folgen der Verstrahlung und  geht einer gesundheitlich ungewissen Zukunft entgegen. Noch immer nimmt die Zahl der Krebserkrankungen, der Herzkreislaufproblemen und der Missbildungen zu. Ganz zu schweigen von den Genschädigungen, die sich erst in den kommenden Generationen manifestieren werden.

Die Wolke mit dem radioaktiven Material wurde wegen der grossen Hitze in eine Höhe von etwa 1'500 Meter getragen und verbreitete sich in den folgenden Tagen über verschiedene Teile Europas. Am stärksten betroffen waren auf Grund der herrschenden Windrichtung Russland, die Ukraine, Weissrussland, Finnland und Schweden. Der radioaktive Fallout erreichte aber auch Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, Deutschland, die Schweiz, Italien und Spanien.

Die Evakuierung 

Zwei Tage nach der Explosion, an einem Sonntagmorgen, wurde endlich die Evakuierung von Pripjat, einer Hochhaussiedlung 2 km vom brennenden Reaktor entfernt, angeordnet. Im Buch „Nach dem Super-GAU“ von Klaus Traube (Hamburg 1986), wird die Evakuierung wie folgt geschildert:

„1'100 Busse und Lkws sollen es gewesen sein, die aus Kiew und allen näher gelegenen Ortschaften requiriert wurden, grösstenteils gefahren von Freiwilligen. Vor jedes Haus von Pripjat und dreier kleinerer Ortschaften seien sie gefahren, berichteten die Zeitungen. 36 Stunden nach dem ersten Feuerausbruch  habe man in nur zwei Stunden und 40 Minuten rund 25'000 Menschen in einer 20 Kilometer langen Kolonne aus Pripjat Richtung Süden gebracht. Die Gesamtzahl der Evakuierten aus der Zone unmittelbar ums Kraftwerk wurde später mit 49'000 angegeben. Und längst nicht alle gingen freiwillig. Milizeinheiten drangen teilweise mit Gewalt in die Häuser ein, um den Menschen das Ausmass der Gefahr näherzubringen. (…) Schwierigkeiten muss es vor allem mit der Landbevölkerung gegeben haben, die mit der Umsiedlung nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihren ganzen ländlichen Besitzstand, das Vieh, die Gärten und ihre Vorratslager aufgeben mussten. Vieh, hiess es später lapidar, sei „liquidiert“ worden.

Waren so die Bewohner im engeren Gefahrenradius vielleicht nur wenige Stunden dem hohen Strahlenpegel ausgesetzt, so beging die Krisenkommission doch einen, vielleicht verhängnisvollen Fehler. Sie unterschätzte die Dauer und damit die Ausstrahlung des Reaktorfeuers. Anders ist nicht zu erklären, dass sie ausgerechnet die Stadt Tschernobyl selbst mit ihren rund 40’000 Einwohnern zunächst von der Evakuierung ausschloss. Zwar war stets von einem Evakuierungsradius von 30 Kilometer die Rede. Tatsächlich war der Kreis aber rund zehn Kilometer kleiner, so dass die Kleinstadt, deren Namen das Kraftwerk trägt, nicht mehr dazugehörte. 

Dort schenkte man den Menschen erst vier Tage später, am Donnerstag „danach“, reinen Wein ein. Und nicht zwei Stunden, sondern mindestens drei Tage dauerte es, sie aus der Gefahrenzone zu bringen, erfuhr die Welt schliesslich in der darauf folgenden Woche, als die ersten westlichen Korrespondenten einen Tag lang Kiew besuchten und dort mit einigen Evakuierten sprechen konnten. Noch während der ersten internationalen Pressekonferenz des sowjetischen Aussenministeriums am Dienstag, dem 6. Mai, hatte man von der zügigen und vollständigen Evakuierung gesprochen.“

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4.12 Wie sind Atomkraftwerke Haftpflicht versichert?

In der Schweiz ist die Haftpflicht für Atomkraftwerke auf 1,8 Milliarden Franken begrenzt, obgleich der Schaden bei einem Super-GAU mehrere Billionen Franken betragen könnte. 

Als Vergleich: Die Versicherungssumme für ein Atomkraftwerk entspricht der Haftpflichtversicherung für 900 Fahrräder oder für 360 Motorfahrzeuge! 

Das Verhalten der Versicherungen zeigt, wie sie das Risiko eines Super-GAU einschätzen: es existiert. Die Schäden wären immens, die Prämie dementsprechend hoch, sodass Atomstrom nicht mehr konkurrenzfähig wäre. Die gesetzliche Beschränkung der Haftpflicht ist eine indirekte Subventionierung der Atomenergie und damit eine Benachteiligung der erneuerbaren Energien.

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4.13 Wer bezahlt die Schäden nach einem Super-GAU in der Schweiz?

Die Betreiber haften laut Kernenergiegesetz für einen Schaden bis 1,8 Milliarden Franken. Wäre die Schadensumme grösser, hätte dies einfach den Konkurs der Betreibergesellschaft zur Folge, sie wäre damit aller Verpflichtungen enthoben..

Es ist davon auszugehen, dass ein Super-Gau in einem dicht besiedelten Gebiet wie der Schweiz Schäden von mehreren Billionen Franken zur Folge hätte. Zulasten der Allgemeinheit, also der Steuerzahler.

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4.14 Und die Landesverteidigung?

Atomkraftwerke sind leicht zu identifizierende Angriffsobjekte und stellen ein Ziel mit ungeheurem Verwüstungs- und Erpressungspotential dar. Diese Frage wird im Bewusstsein von Politik und Bevölkerung ausgeblendet. Sie wäre aber zu diskutieren und würde mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer ablehnenden Haltung gegenüber der Atomenergie führen.

Kurt Marti (Schriftsteller und Pfarrer) meint:
„Da bereiten wir uns mit riesigem militärischem Aufwand auf recht unwahrscheinliche Ernstfälle vor und werden gleichsam hinterrücks und im eigenen Land von Ernstfällen heimgesucht, auf die wir überhaupt nicht vorbereitet sind, ganz abgesehen davon, dass z.B. die Existenz von AKWs im dicht besiedelten Mittelland alle militärischen Verteidigungsdispositive sowieso realitätsfremd erscheinen lässt“. 

(Kurt Marti „Notizen und Details 1964 – 2007“, Seite 809)

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4.15 Werden in der Schweiz nach einem Super-GAU im eigenen Land alle Atomkraftwerke abgestellt?

Darüber lässt sich nur spekulieren, aber jedes neue Atomkraftwerk erhöht die Abhängigkeit von dieser Technologie und erschwert den Ausstieg.

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4.16 Haben Atomkraftwerke etwas mit Atombomben zu tun?

Direkt nicht, indirekt schon. Zur Herstellung einer Atombombe benötigt man eine bestimmte Menge an hoch angereichertem Uran-235 oder Plutonium. Die Menge, bei der die Kettenreaktion selbsttätig und explosionsartig einsetzt, heisst „kritische Masse“. In einem Atomreaktor ist aber weder Uran-235 noch Plutonium in der nötigen Konzentration oder Menge vorhanden, er kann deshalb nicht wie eine Bombe explodieren. 

Staaten mit Atomkraftwerken, Wiederaufarbeitungs- und Anreicherungsanlagen sind in der Lage, Atomwaffen herzustellen. Durch strenge internationale Kontrollen wird versucht, den Handel mit hoch angereichertem Uran oder mit Plutonium zu unterbinden und den Bau von Anreicherungsanlagen zu verhindern.

Gegenwärtig wird versucht, den Iran mit politischem und wirtschaftlichem Druck am Bau und an der Inbetriebnahme von Anreicherungsanlagen zu hindern, obgleich diese angeblich nur zur Gewinnung von Brennstoff für Atomkraftwerke dienen sollen. Die Atomkraftwerke dienen aber möglicherweise nur als Vorwand für die Anreicherung von Uran zu waffenfähigem Material und für die Produktion von Plutonium. 2015 kam ein Abkommen zustande, das den Bau von Atomwaffen durch den Iran verhindern soll.

Ein Atomreaktor kann zwar explodieren (indem sich z.B. Wasserstoff in seinem Inneren bildet), aber nicht wie eine Atombombe. Für eine Atomexplosion ist das Uran zu wenig stark angereichert und die Menge an Plutonium, die er enthält, ist zu gering.

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5. Fragen zum Thema „Endlagerung“

5.1 Was geschieht mit den abgebrannten Brennelementen?

Abgebrannte Brennelemente aus Atomreaktoren enthalten 95% Uran, 1% Plutonium und 4% andere Spaltprodukte. Sie werden nach einer etwa vierjährigen Lagerung im Abklingbecken in Castor-Behältern entweder in eine Wiederaufarbeitungsanlage oder in ein Zwischenlager gebracht und anschliessend der Endlagerung zugeführt, sobald Möglichkeiten dazu vorhanden sind.

In der Wiederaufarbeitung werden die Brennelemente mechanisch zerkleinert und in Salpetersäure aufgelöst. Anschliessend lassen sich die verschiedenen Substanzen voneinander trennen. Teile des Urans und das Plutonium können zu so genannten MOX-Brennelementen verarbeitet und wieder in Atomreaktoren eingesetzt werden. 

Plutonium wird auch zur Herstellung von Atomwaffen verwendet. Einige Spaltprodukte (z.B. Co-60) können als Strahlenquellen in Medizin, Technik und Forschung eingesetzt werden. Der Rest ist Atommüll und muss entsprechend entsorgt werden.

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5.2 Wie wird radioaktives Material transportiert?

Hochradioaktives Material, zum Beispiel abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken oder die aufbereiteten Materialien aus Wiederaufarbeitungsanlagen, werden in Castor-Behältern transportiert. Mittel- und schwachradioaktive Materialien müssen so transportiert werden, dass keine Strahlung nach aussen dringt, zum Beispiel in dickwandigen Bleigefässen.

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5.3 Was geschieht in einer Wiederaufarbeitungsanlage?

In der Wiederaufarbeitung werden abgebrannte Brennelemente aus Atomreaktoren mechanisch zerkleinert und in Salpetersäure aufgelöst. Anschliessend lassen sich die verschiedenen Substanzen voneinander trennen. 

Teile des Urans und das Plutonium können zu MOX-Brennelementen verarbeitet und in dieser Form wieder in Atomreaktoren eingesetzt werden. Deshalb wird gerne von einem Brennstoffkreislauf gesprochen, auch wenn nur ein kleiner Teil des ursprünglich verwendeten Urans in den Energiegewinnungsprozess zurückgeführt werden kann.

Plutonium wird auch zur Herstellung von Atomwaffen verwendet. Ruthenium, Rhodium und Palladium, können als Strahlenquellen in Medizin, Technik und Forschung eingesetzt werden. Der Rest ist Atommüll und muss entsprechend entsorgt werden.

Bei der Wiederaufarbeitung entstehen radioaktive Abwässer und Abgase. Erstere werden zwar gereinigt, enthalten aber nach Abgabe in die Umgebung immer noch grosse Mengen an Radioaktivität. Greenpeace hat auf Grund eigener Messungen in verschiedenen Fällen (La HagueSellafield) viel zu hohe Abgabewerte für Radioaktivität aus Wiederaufbereitungsanlagen festgestellt.

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5.4 Wie lange bleibt Atommüll radioaktiv?

Radioaktive Elemente zerfallen spontan nach unabänderlichen physikalischen Gesetzen. Dabei haben die verschiedenen Elemente und Isotope sehr unterschiedliche Zerfallszeiten.

Angegeben wird immer die so genannte Halbwertszeit, ((Link zu Lexikon Halbwertszeit)) das ist die Zeit, in der die Hälfte des vorhandenen Materials spontan zerfällt. Die Halbwertszeit ist materialtypisch, je nach Element oder Isotop kann sie Bruchteile von Sekunden oder Milliarden von Jahre betragen. Es gibt keine Möglichkeit, den Zerfall radioaktiver Stoffe zu beschleunigen. Da der radioaktive Zerfall physikalischen und nicht chemischen Gesetzen gehorcht, kann Radioaktivität auch nicht durch chemische Umwandlungen beeinflusst werden. 

Wenn ein Element eine Halbwertszeit von 24'000 Jahren hat, wie z.B. Plutonium, dann ist nach Ablauf dieser Zeit immer noch die Hälfte vorhanden. Die Halbwertszeit für diese zweite Hälfte des Materials beträgt wieder 24'000 Jahre, d.h. nach 48'000 Jahren ist noch ein Viertel der ursprünglichen Menge vorhanden, von einem Kilogramm sind das immer noch 250 Gramm.

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5.5 Was geschieht mit dem Atommüll?

Atommüll muss seiner Gefährlichkeit wegen speziell behandelt und speziell gelagert werden. Die Atomabfälle werden in drei Kategorien unterteilt: schwach-, mittel- und hochradioaktiver Atommüll. Besonders strahlungsintensiv (hochradioaktiv) sind die abgebrannten Brennelemente. Schwach und mittel radioaktive Abfälle entstehen in Medizin und Industrie, aber auch in den Atomkraftwerken selber bei Reinigungs-, Reparatur- oder Abbrucharbeiten. Schwach und mittel radioaktive Abfälle machen 90% des radioaktiven Abfallvolumens aus, enthalten aber nur 0,1% der gesamthaft anfallenden Radioaktivität!

5.6 Was ist ein Endlager?

Ein Endlager ist eine Einrichtung, in der Atommüll definitiv gelagert werden kann. An Stelle von „Endlager“ wird heute eher der Ausdruck „Geologisches Tiefen- oder Langzeitlager“ verwendet. Ein solches Lager muss so ausgestaltet sein, dass die dort eingelagerten Abfälle weder überwacht, noch kontrolliert noch umgelagert werden müsse. Oder so, dass sie bei Bedarf rückholbar sind. 

Für hochradioaktive Abfälle ist bisher in keinem der 41 Länder mit Atomkraftwerken ein Endlager in Betrieb. In vielen Ländern läuft seit Jahrzehnten die Planung, in einigen sind Anlagen im Bau. 

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5.7 Was ist ein Zwischenlager?

Bis ein Endlager zur Verfügung steht, wird radioaktiver Abfall in Zwischenlagern deponiert. Abgebrannte Brennelemente werden nach ihrer Entnahme aus dem Reaktor für einige Zeit in einem  Abklingbecken gelagert. Um Transportwege zu vermeiden, liegen die Abklingbecken direkt neben dem AKW. Nach etwa vier Jahren  werden die abgebrannten Brennelemente entweder in eine Wiederaufarbeitungsanlage oder in ein Zwischenlager transportiert wo sie, eingeschlossen in Castorbehälter, verbleiben, bis ein Endlager zur Verfügung steht. .

Das schweizerische Zwischenlager ZWILAG (www.zwilag.ch) für hoch-, mittel- und schwachradioaktive Abfälle aus den Atomkraftwerken befindet sich in Würenlingen. Im Oktober 2009 wurden erstmals zwei Castorbehälter aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague mit Atommüll aus dem Atomkraftwerk Gösgen dort eingelagert. 

Die radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung werden in einem Bundeszwischenlager im Paul Scherrer Institut in Villigen untergebracht. 

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5.8 Wie lange muss Atommüll gelagert werden?

Atommüll ist seiner Radioaktivität wegen und weil er Wärme entwickelt auf sehr lange Zeit (man geht von einer Million Jahren aus)  für die Umwelt gefährlich.  Strahlung und Wärme bilden eine Gefahr auf unvorstellbar lange Zeit. Er muss hermetisch von der Umwelt abgeschlossen werden und zwar auf eine Weise, die eine Öffnung der Lager durch Erdbeben, tektonische Verschiebungen, Wassereinbrüche oder menschliche Aktivitäten (z.B. Suche nach Rohstoffen) verhindert.  

Ein zusätzliches, bis heute ungelöstes und vielleicht unlösbares Problem bildet die Kennzeichnung der Lagerstätten. In welcher Form kann man alle nachkommenden Generationen vor den Gefahren warnen? Es gibt jede Menge Theorien und Schriften zu diesem Thema, aber letztlich wird das Problem wohl nicht zu lösen sein. Nach uns die Sintflut?

Die Nuklearwirtschaft handelt wie ein Flugzeugbauer, der sein Gerät starten lässt bevor klar ist, wie und wo es wird landen können!

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5.9 Wer bezahlt die Endlagerung?

Laut Kernenergiegesetz müssen in der Schweiz die Betreiber von Atomkraftwerken auch für die Kosten der Endlagerung aufkommen. Dazu werden über den Strompreis Spezialfonds geäufnet. Sollten die Betreibergesellschaften nicht in der Lage sein, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, wird die Allgemeinheit die Kosten übernehmen müssen.

Je nach der schliesslich für die Endlagerung gewählten Lösung werden auch nachkommende Generationen auf lange Zeit die Lasten der kurzen Nuklearenergie-Nutzungsperiode mittragen müssen.

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6. Fragen zum Thema Energieversorgung

6.1 Welchen Anteil am Gesamtenergieverbrauch der Schweiz hat die Elektrizität?

Am Gesamtenergieverbrauch der Schweiz hat die Elektrizität einen Anteil von 23,5 %. 40 %der Elektrizität, also 9,4 % der Gesamtenergie, stammen aus Atomkraftwerken.

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6.2 Wie gross ist der Anteil der Atomkraftwerke an der Stromerzeugung der Schweiz?

36,4% der Elektrizität wurden 2014 in der Schweiz in Atomkraftwerken erzeugt, 57,9% stammten aus Wasserkraft, 3,9% aus Thermischen Kraftwerken, 1,7% war der Anteil von Sonne, Wind, Biomasse.

Deutschland 2014: 15,9% Atomstrom, 53,2% Thermische Kraftwerke, 3,4% Wasserkraft, 22,4% Sonne, Wind, Biomasse, 5,1% Sonstige.

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6.3 Genügt der Strom, der in der Schweiz erzeugt wird, für den Eigenbedarf?

Ja, denn wir haben in der Regel jedes Jahr Exportüberschüsse. Im hydrologischen Jahr 2009 (Ende September) betrug der Exportüberschuss 2,9 Milliarden kWh.

Die Schweiz importiert vor allem in der Nacht billigen Atom- und Kohlestrom. Dieser Strom wird benützt, um Wasser in die Speicherseen hinaufzupumpen (Pumpspeicherung). Bei Bedarf kann mit diesem Wasser  wieder Strom erzeugt werden.

Dass praktisch jedes Jahr ein Exportüberschuss resultiert und dass sogar in Spitzenzeiten, also zu Tageszeiten, in denen in der Schweiz selbst am meisten Strom gebraucht wird, Strom exportiert werden kann zeigt, dass die installierte Kraftwerksleistung mehr als genügt. 

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6.4 Besteht ein Zusammenhang zwischen Pumpspeicherwerken und Atomkraftwerken?

Ja. Wer Atomkraftwerke betreibt muss dafür sorgen, dass der Strom auch nachts bei geringer Nachfrage abgenommen wird. Dazu eignen sich Pumpspeicherwerke.

Atom- und Kohlekraftwerke können nicht kurzfristig ihre Produktion regulieren. In Pumpspeicherwerken werden in der Nacht billige Stromüberschlüsse benützt, um in Spitzenzeiten, also vorwiegend über Mittag, Strom zu erzeugen. Damit verdiente die Stromwirtschaft früher gegen fünfeinhalb Millionen Franken. Pro Tag. Wind- und Solarstrom aus Deutschland vermiesen der Elektrizitätswirtschaft in der Schweiz das früher lukrative Geschäft mit Spitzenstrom. Unregelmässig anfallender, überschüssiger Strom aus Solar- und Windkraftanlagen kann, ebenfalls auf diese Weise gespeichert werden. Schwankungen in der Produktion können dadurch ausgeglichen werden. Ein positiver Aspekt der Pumpspeicherung.

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6.5 Erhöhen Pumpspeicherwerke das Stromangebot?

Nein. Zum Pumpen wird ungefähr ein Viertel mehr Strom gebraucht, als anschliessend mit demselben Wasser erzeugt werden kann. Das Stromangebot wird also durch Pumpspeicherung nicht erhöht, sondern vermindert.

Pumpspeicherwerke sind eine Art „Stromwaschanlagen“, in denen nicht erneuerbare problematische  Energie aus Atom- und Kohlekraftwerken in saubere, erneuerbare Wasserkraft verwandelt wird!

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6.6 Braucht es in der Schweiz neue Atomkraftwerke?

Nein. Mit dem entsprechenden politischen Willen ist eine Schweiz ohne Atomkraft zu realisieren. Die technischen Grundlagen sind vorhanden, die industrielle Basis auch und es gibt genügend seriöse Studien und Vorschläge die aufzeigen, wie es zu machen wäre, wenn man nur wollte... 

Wir hätten jetzt die Chance, auf erneuerbare Elektrizitätserzeugung umzustellen. Unsere Nachkommen werden das ohnehin machen müssen, aber zu sehr viel ungünstigeren Bedingungen als wir sie heute haben.

Möglichkeiten, eine Schweiz ohne neue Atomkraftwerke zu realisieren, sind zum Beispiel:

·       Effiziente Energienutzung  mittels sparsamer Geräte

·       Einsatz von Elektrizität nur dort, wo es wirklich nötig ist

·       Wärmepumpen nur mit Solarstrom

·       Keine elektrisch beheizten Treppen und Strassen

·       Kein Strom zur Warmwasseraufbereitung

·       Einsatz sparsamerer Pumpen, die nur in Betrieb sind, wenn die Leistung tatsächlich benötigt wird

·       Konsequente Förderung und Nutzung der Wind-, Bio- und Sonnenenergie

Der Entscheid pro oder contra AKW ist ein rein politischer Entscheid und hat nichts mit Sachzwängen zu tun. Die Stromversorgung der Schweiz kann auch ohne Atomkraftwerke gewährleistet werden. Wer auf Atomenergie setzt, behindert die Entwicklung der erneuerbaren Energien und damit den Aufbau einer nachhaltigen Lösung des Energieproblems. Atom ist keine Lösung. Als Folge von Fukushima hat das Bundesparlament beschlossen, in der Schweiz auf den Bau neuer Atomkraftwerke zu verzichten. Die vor diesem Beschluss eingereichten Rahmenbewilligungsgesuche für drei neue AKW sind allerdings bis heute (2016) nicht zurückgezogen worden.

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6.8 Hat Atomstrom eine Zukunft?

Vor Fukushima: Medien und Politik erzeugen ein Bild, das die Atomenergie wieder in glänzendem Licht erscheinen lässt. Man spricht von einer „Renaissance der Atomenergie“. Die Realität sieht anders aus. Offiziell befinden sich weltweit 68 Reaktoren im Bau, aber an einem Drittel von ihnen wird schon seit über 20 Jahren gearbeitet. Der Prototyp eines neuen europäischen Druckwasserreaktors EPR, seit 2005 in Finnland (Olkiluoto) ((Link zu Lexikon/Olkiluoto)) im Bau, kämpft mit grossen Schwierigkeiten. In jüngster Zeit wurden mehr Reaktoren stillgelegt als neu in Betrieb genommen. 

Derzeit bauen nur vier Länder mehr als zwei Reaktoren, allen voran China mit 27 Anlagen, gefolgt von je einem halben Dutzend Anlagen in Indien, Korea und Russland. Wenn man die OECD-Länder betrachtet, gibt es keine Renaissance der Atomkraft. Trotz aller Versprechungen bewegt sich in den USA seit zwei Jahren nichts, die Nuklearindustrie wartet auf mehr Geld von der Regierung. 

Der Radiologe und IPPNW-Vorstandsmitglied Andreas Nidecker meint in einem Interview zum Thema zukünftige Entwicklung:
„Die neuen und guten Möglichkeiten heute sind Strom vom Dach oder Bach – oder immer häufiger auch aus der Güllegrube. Oder die Alternative: Wärme aus dem Wald oder vom eigenen Körper bei Null-Energie-Häusern. Wer will denn noch bei einer Technologie verharren, die vorgestern modern war, sich aber heute schlicht aus dem Markt trippelt: weil sie risikobehaftet und anfällig auf Terrorismus ist, weil die Entsorgung der atomaren Abfälle nicht gelöst ist, weil es Probleme mit der Wasserkühlung in heissen Sommermonaten geben kann – und weil sie letztlich ausgesprochen teuer ist. Ausserdem vergessen viele, dass Uran genau so endlich verfügbar ist wie etwa Erdöl.“ (Basler Zeitung 20. Juli 2010)

„Ich bin nicht dafür, dass elektrische Energie auf solch hirnverbrannter Basis erzeugt wird.“
(Robert Robinson, 1886 – 1975, Nobelpreis für Chemie 1947)

„Die Zukunft des atomar-fossilen Zeitalters liegt – besser früher als später – im Technikmuseum.“
(Hermann Scheer, Träger des alternativen Nobelpreises, DIE ZEIT  
vom 29. Juli 2004)

Und nach Fukushima??

6.9 Was passiert, wenn wir zu viel Strom produzieren?

Stromüberschüsse werden ins Ausland verkauft oder in Pumpspeicherwerken gespeichert.

6.10 Lohnt sich Fotovoltaik?

Ja. Mit einem Wirkungsgrad von 15% werden etwa 150 kWh Strom pro Quadratmeter und Jahr erzeugt. 20 – 30 Quadratmeter decken den Strombedarf eines durchschnittlichen Haushaltes. Ohne CO2-Emissionen, ohne Katastrophenrisiko und ohne radioaktive Abfälle.

6.11 Und wenn der Energieverbrauch steigt?

Er muss nicht steigen. Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Wärmekraftkoppelung nutzen die Energie besser. Bessere Geräte, bessere Isolierungen und bewusster Umgang mit der Energie vermeiden eine Zunahme des Verbrauchs.

6.12 Braucht es in der Schweiz staatliche Subventionen zur Produktion von Solar- und Windstrom?

Nein, aber Förderbeiträge. Das bisherige Fördermodell KEV (Kostendeckende Einspeisevergütung) wird über Stromzuschläge finanziert. Das sind keine Subventionen sondern Förderbeiträge, die von den Konsumenten selber bezahlt werden. Langfristig spart die Energiewende viel Geld, denn die Energieträger Wasser, Wind und Sonne sind gratis. Die Investitionen für deren Nutzung schaffen Arbeitsplätze, die Anlagen bestehen zum grössten Teil aus recycelbarem Material. Eigenartig: Wenn in Pumpspeicherwerke investiert wird, sind es „Investitionen“, wenn in Solar- und Windenergie investiert wird, sollen es „Kosten“ sein!

6.13 Wird der Strom unbezahlbar?

Im Gegenteil. Wind- und Solarstrom werden jedes Jahr billiger. Neue Wind- und Solarkraftwerke produzieren inzwischen günstiger als Atomkraftwerke. Ohne die gravierenden Nebenwirkungen (Atommüll, Katastrophenrisiko, radioaktive Immissionen).

6.14 Sind Wind- und Sonnenkraft eine Konkurrenz zur Wasserkraft?

Nein. Wasserkraftwerke ergänzen Wind- und Solaranlagen perfekt. Sie liefern Strom bei Dunkelheit oder Flaute. Speicherkraftwerke werden vorwiegend nachts eingesetzt, wenn die Sonne nicht scheint und Pumpspeicherwerke speichern überschüssigen Solar- und Windstrom.

6.15 Wird es Versorgungslücken geben?

Nein. Auch ohne Atomkraftwerke könnte die Schweiz genug Strom produzieren. Könnte, sobald der politische Wille zur Energiewende vorhanden und diese zielgerichtet umgesetzt wird. Ausserdem gibt es in Europa grosse Produktionsüberschüsse. Dank des europäischen Stromverbundes kann jede Stromlücke problemlos überbrückt werden

7. Fragen zum Thema „Klima“

7.1 Sind Atomkraftwerke umweltfreundlich?

Nein. Eine Technologie, die Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertreibt und ganze Landstriche für Jahrhunderte unbewohnbar macht, ist nicht umweltfreundlich. Klar, Atomstrom ist mit zehn- bis zwanzigmal weniger CO2-Ausstoss belastet als Strom aus Kohlekraftwerken, aber CO2-frei ist er nicht, Denn aufallen Stufen, von der Uranerzgewinnung bis zum Endlager, geht es nicht ohne Einsatz von fossilen Energien.

 Ausserdem  ist der Anteil des Atomstroms an der weltweiten gesamten Energieproduktion viel zu gering um einen entscheidenden Einfluss auf das Klima zu haben Selbst wenn die von der OECD vorgeschlagenen 1'300 neuen Reaktoren je gebaut würden, wäre die Klimaentlastung zu gering und käme zu spät.

„Im Kampf ums Klima ist Atomkraft eine verlockende Alternative. Aber die Gegenargumente wiegen schwerer.“ (Anne Lund, die Erfinderin des Anti-Atomkraft-Symbols mit der lachenden Sonne www.smilingsun.org)

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7.2 Ist Atomstrom CO2 – frei?

Nein. Auf jeder Stufe der Nukleartechnologie, von der Prospektion und Schürfung des Uranerzes bis zur Lagerung des Atommülls, wird fossile Energie benötigt. Die Behauptung Atomstrom sei CO2-frei entspricht damit nicht der Wahrheit. Sogar die Formulierung „in der Schweiz CO2-frei“ ist falsch. Die Atomkraftwerke mussten gebaut werden, es fallen Transporte an und auch die Behandlung der Abfälle bis zur Endlagerung ist nicht CO2-frei.

Auf jeder Stufe der Nukleartechnologie kommt fossile Energie zum Einsatz, nicht zu vergessen die vielen Transporte:

·   Prospektion der Uranerz-Lagerstätten

·   Abbau des uranhaltigen Gesteins

·   Extraktion des Urans aus dem Erz

·   Urananreicherung

·   Herstellung der Brennelemente

·   Bau und Betrieb des Atomkraftwerkes

·   Zwischenlagerung abgebrannte Brennelemente

·   Aufbereitung der Brennelemente für die Lagerung

·   Stilllegung und Abriss des Atomkraftwerkes inklusive Konditionierung des Abrissmaterials für die Lagerung

·   Lagerung des Atommülls 

Alle diese Stufen müssen in die Berechnung des CO2-Anteils einbezogen werden. Pro erzeugte Kilowattstunde sind es je nach Berechnungsart unabhängiger Institute 32 - 126 Gramm. Die Nuklearindustrie selber gibt für Atomstrom Werte von 8 g/kWh an. Hier wurde mit Sicherheit nicht alles berücksichtigt.

Strom aus:

CO2-Äq. in g/kWhel

AKW

32

Steinkohle-Import-Kraftwerk

949

Steinkohle-Import-Heizkraftwerk

622

Braunkohle-Kraftwerk

1153

Braunkohle Heizkraftwek

729

Erdgas-Kraftwerk

428

Erdgas-Blockheizkraftwerk

49

Biogas-Blockheizkraftwerk

-409

Wind Park onshore

24

Wind Park Offshore

23

Wasser-Kraftwerk

40

Solarzelle (multikristallin)

101

Solarstrom-Import (Spanien)

27

(Quelle: Berechnung des Öko-Instituts mit GEMIS siehe www.gemis.de)

 

Atomenergie darf man natürlich ohne weiteres als CO2-arme Energieform bezeichnen. Damit erhält sie in der Klimadiskussion ein gewisses Gewicht. Allerdings lässt sich die Klimafrage nicht mit Hilfe von Atomenergie lösen, dazu ist ihr Anteil am Welt-Gesamtenergieverbrauch viel zu gering. Ausserdem reichen weder die Uranvorräte noch wären die tausende von Atomkraftwerken in der nötigen kurzen Zeit zu realisieren. Ganz abgesehen von den übrigen Problemen, die eine Erweiterung des weltweiten Nuklearparks mit sich brächten.

„Ein Franken, der in Energie-Effizienzmassnahmen investiert wird, spart vier- bis siebenmal mehr CO2 ein als einer, der in ein AKW investiert wird.“ (IPPNW/PSR) 

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7.3 Wie ist das Klimaproblem zu lösen?

Indem man mindesten 80 Prozent der bekannten Erdöl-, Kohle- und Gasvorräte in der Erde lässt, weniger Urwald abbrennt und  die Landwirte weniger Stickstoff einsetzen. Zum Beispiel. Ein Umstieg auf Erdgas könnte die CO2-Emissionen senken, weil Erdgas weniger CO2 freisetzt, aber zusätzlich gefördertes Erdgas ist Kohlenstoff, der im Boden bleiben müsste. Erdgas hilft, länger auf dem falschen Weg zu bleiben. Um die fossilen Energieträger aus dem Markt zu drängen, müsste die  erneuerbare Energie weniger kosten als die billigste fossile Energie. (Nach einem Artikel von Marcel Hänggi, NORDWESTSCHWEIZ vom 26. November 2015)

7.4 Ist ein tiefer Erdölpreis gut oder schlecht für das Klima?

Weder noch. Ein tiefer Ölpreis reduziert die Anreize, zu sparen. Das ist schlecht. Ein hoher Ölpreis verstärkt die Anreize, mehr zu fördern. Das ist auch schlecht. Gut wäre, wenn der Preis für die Produzenten tief und für die Abnehmer hoch wäre. Die Differenz müsste abgeschöpft werden. Der Preis für die Abnehmer müsste sehr hoch sein. Produzenten dürfen nur so viel bekommen, dass sich die Förderung nicht mehr lohnt, die Konsumenten umgekehrt so viel bezahlen, dass sie es nicht mehr kaufen. Die Produktion in Saudi-Arabien kostet 10 Dollar pro Fass. Als der Preis 2008 bei 150 Dollar lag, wurde trotzdem gekauft. Würde die Differenz abgeschöpft, wären das 300 Franken pro Tonne CO2. Das wäre nicht ohne grosse wirtschaftliche und gesellschaftliche Verwerfungen zu schaffen, aber die fossilen Energien töten vom Grubenunfall über den Strassenverkehr bis zur Luftverschmutzung mehr Menschen als alle Kriege und Epidemien zusammen. Zieht man die langfristigen Klimaschäden in Betracht, ist die Bilanz positiv. Der Ausstieg aus den fossilen Energien wird den Mächtigen wehtun und die werden sich wehren. (Nach einem Artikel von Marcel Hänggi, NORDWESTSCHWEIZ vom 26. November 2015)

7.5 Und die Politik?

Die Klimapolitik versucht, die Lasten möglichst gerecht auf alle Staaten verteilen. Was die Folgen des Klimawandels angeht, ist das richtig. Lösungen sollten nicht als Bürde gesehen werden sondern als Chance, eine menschenfreundlichere Welt zu schaffen. Klimapolitik würde dadurch attraktiv. Aber das Gute setzt sich nicht einfach durch, weil es gut ist. Es braucht politische Massnahmen. (Nach einem Artikel von Marcel Hänggi, NORDWESTSCHWEIZ vom 26. November 2015)

8. Die ultimative Frage

8.1 Soll die Atomenergie weiter genutzt werden oder wäre es besser, darauf zu verzichten?

Diese Frage kann nur auf Grund des individuellen Verantwortungsgefühls und der persönlichen ethisch-moralischen Werteskala beantwortet werden. Die Antwort liegt bei Ihnen!

„Es gibt einen einzigen politischen Entscheid, mit dem die Zerstörung des ganzen Landes bewusst in Kauf genommen wird, den Entscheid, Atomkraftwerke zu betreiben oder neu zu bauen.“ (Gerhard Meister, Schriftsteller)

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