K
Kaiseraugst - die Besetzung
Kaiseraugst – die Expertengespräche
Eine der Bedingungen zur Beendigung der Besetzung des Baugeländes in Kaiseraugst im Frühsommer 1975 war die Einwilligung des Bundes zu Gesprächen zwischen Bundesvertretern und Vertretern der Besetzer auf Expertenebene.
In diesen Gesprächen ging es in erster Linie um das Darlegen der Standpunkte mit dem Ziel, für beide Seiten in den strittigen Punkten annehmbare Vereinbarungen zu treffen. Die Gespräche fanden in den Monaten September und Oktober 1975 zu den Themen „Gültigkeit der Standortbewilligung“, „Meteorologie und Lufthygiene“, „Nukleare Sicherheit“ und „Gesamtenergiekonzept, Alternativen und Bedarfsnachweis“ statt.
In einer abschliessenden Verhandlungsrunde am 18. November 1975 stellten beide Seiten in einem gemeinsamen Kommuniqué fest, dass die Gespräche „zwischen Experten des Bundes und der A-Werk Gegner viel nützliche Informationen vermittelt haben.“ Im Weitern sollten folgende Abklärungen durchgeführt werden:
- Die Belastung des Raumes um Kaiseraugst durch Wärme und Schadstoffe, insbesondere durch die CLIMOD-Studie*.
- Rechtliche Fragen in Bezug auf Standortbewilligung, Aushub und nukleare Baubewilligung.
- Fragen bezüglich nukleare Sicherheit und Strahlenschutz, über die unter den Experten beider Seiten keine Verständigung erzielt werden konnte.
Von Seiten des Bundes wurde zugesichert, dass die Resultate obiger Abklärungen mit der Verhandlungsdelegation der A-Werk Gegner erneut besprochen und vorher keine weiteren Bewilligungen erteilt würden.
* Die CLIMOD-Studie wurde vom Bund in Auftrag gegeben, um im Zusammenhang mit dem AKW-Projekt Kaiseraugst die Klimaverhältnisse im Oberrheingebiet abzuklären.
Weiter:
Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst
Atomenergie Schweiz (Geschichte)
Katastrophenschutz
Siehe Notfallmassnahmen
Kennzeichnung der Endlager
Siehe Endlager
Kernbrennstoff
Als Kernbrennstoff in kommerziellen Atomreaktoren wird das Uranisotop U-235 verwendet. So genannte MOX- (Mischoxid-) Brennstäbe enthalten zusätzlich die Plutonium-Isotope Pu-239 und Pu-241 aus der Wiederaufarbeitung oder aus alten Atomwaffenbeständen.
Das Uranisotop U-235 ist in der Natur in einem sehr geringen Prozentsatz (0,7%) vorhanden. Das Natururan muss für Leichtswasser-Reaktoren auf 3,5 – 4,5% Uran-235 angereichert werden, damit es als Spaltstoff im Reaktor verwendet werden kann. In Schwerwasser-Reaktoren kann direkt Natururan eingesetzt werden.
In Hochtemperaturreaktoren (HTR) kommt auch Thorium-232 zum Einsatz.
Obgleich in einem Atomreaktor eine Atomspaltung stattfindet und nicht eine Verbrennung, werden die eingesetzten Materialien als „Brennstoffe“ bezeichnet. (Siehe auch Atomsprache).
Uran- und Plutoniumvorräte der Schweiz
Eine Liste des Bundesamtes für Energie (BfE) von 2006 weist einen Bestand von 2‘079 Tonnen Uran und 2,4 Tonnen Plutonium auf, die die Schweizer Atomwirtschaft im Ausland lagert und zwar in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Schweden, Russland und den USA. An insgesamt einem Dutzend Standorten, darunter auch im berüchtigten Majak. Das eingelagerte Material sichert den Bedarf für die schweizerischen Atomkraftwerke für zwei bis drei Jahre. Aus dem hochgiftigen und hochradioaktiven Plutonium liessen sich theoretisch rund 300 Atombomben herstellen. (SonntagsZeitung 23.April 2006)
Weiter:
www.uranstory.ch
Kernenergie
Siehe Atomenergie
Kernenergiehaftpflichtgesetz
Siehe Haftpflichtversicherung
Kernfusion
Bei der Kernspaltung werden schwere Atomkerne in leichtere gespalten, bei der Kernfusion werden leichte Kerne zu schwereren verschmolzen.
Es gibt Fusionsprozesse, die Wärme verbrauchen und solche, die Wärme abgeben. Die Fusion von Wasserstoff zu Helium gibt sehr viel Wärme ab. Auf diese Weise produziert die Sonne ihre Energie. Entdeckt haben diesen Vorgang die deutschen Physiker Hans Albrecht Bethe (1906 – 2005), Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker (1912 – 2007) und Fritz Houtermans (1903 – 1966) in den Dreissigerjahren. Houtermans war nach eigenen Angaben der erste Mensch, der wirklich verstand, was genau auf der Sonne passiert. Der Vorgang ist heute unter der Bezeichnung „Bethe-Weizsäcker-Zyklus“ bekannt.
Damit Wasserstoff zu Helium fusioniert, müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein. Es gibt verschiedene physikalische Prozesse, die Wasserstoff zu Helium fusionieren können (siehe Kasten). In der gegenwärtigen Forschung wird versucht, den Vorgang mit schwerem Wasserstoff (Deuterium) in Gang zu setzen. Während die Kerne des normalen Wasserstoffs aus einem Proton bestehen, besteht der Deuteriumkern aus einem Proton und einem Neutron. Theoretisch ergeben zwei solche Kerne einen Heliumkern.
Der Fusionsprozess ist von zwei Bedingungen abhängig: von der Temperatur und vom Druck. In den meisten Sternen funktioniert die Fusion aufgrund der dort herrschenden starken Gravitation bei etwa 10 Millionen Grad Kelvin, auf der Erde sind dazu etwa 150 Millionen Grad nötig.
Fusionsreaktionen (Auswahl)
Die Zahl hinter dem Plus-Zeichen gibt an, wie viel Energie (gemessen in Megaelektronenvolt) bei dem entsprechenden Fusionsprozess frei wird.
2H + 3H -> 4He + 1n + 17,6 MeV 2H = Deuterium // 3H = Tritium |
“Es wird immer wieder behauptet, dass die Wasserstoff Isotope praktisch unbegrenzt vorhanden seien. Doch trifft dies nur auf Deuterium zu, das im Meerwasser vorkommt und einfach angereichert werden kann. Anders beim Tritium, das auf der Erde so gut wie nicht vorkommt und deshalb im Reaktordurch den Beschuss des Leichtmetalls Lithium mit Neutronen erbrütet werden muss.“ (Basler-Zeitung vom 30. Dezember 2012)
Geschichte
Die Erforschung der Fusionsvorgänge begann in den Fünfzigerjahren. Ein Durchbruch war in den Jahrzehnten bis heute nicht festzustellen. In schöner Regelmässigkeit werden immer dann nächste Entwicklungsschritte angekündigt, wenn für die Fortsetzung der Versuche neue Geldmittel benötigt werden…
Bisher wurde die Fusion von Wasserstoff zu Helium nur in der Wasserstoffbombe „erfolgreich“ getestet. Das Problem ist die für eine Kernfusion benötigte Temperatur von 200 Millionen Grad. Diese zu erzeugen bedingt einen enormen Aufwand. Kein Material hält bis heute diesen Temperaturen stand, weshalb man versucht, die enorme Hitze durch Magnetkräfte von den Wänden der Apparaturen fernzuhalten. Ein weiteres Problem ist der für die Fusion benötigte Brennstoff. Deuterium ist zwar in reichlichen Mengen vorhanden und kann aus dem Meerwasser angereichert werden, aber das ebenfalls benötigte Tritium muss künstlich hergestellt werden.
Der europäische Versuchsreaktor ITER
In Cadarache (Provence/Frankreich) wird auf einer Plattform ein gigantischer Kernfusions-Versuchsreaktor gebaut. 2.5 Millionen Kubikmeter Erde mussten bewegt werden, um das 42 Hektar grosse Baugelände, entsprechend etwa 60 Fussballfeldern, vorzubereiten. Der eigentliche Reaktor, dreimal so schwer wie der Eiffelturm, wird höher als der Triumphbogen in Paris. 18 Magnetspulen sind nötig, jede 360 Tonnen schwer. Am Projekt mit dem Namen Iter (International Thermonuclear Experimental Reactor) sind sieben Partner beteiligt: Die EU (zusammen mit der Schweiz), die USA, Japan, China, Südkorea, Indien und Russland. Die Kosten laufen bereits heute, zu Beginn der Bauphase, aus dem Ruder. Mit ursprünglich 5 Milliarden Euro sollte das Projekt fast doppelt so viel kosten wie der Teilchenbeschleuniger LHC in Genf. Heute (2012) geht die EU-Kommission von 16 Milliarden aus, aber bereits zirkuliert die Zahl von 35 Milliarden Euro als Endkosten für einen Reaktor, der 2019 den Versuchsbetrieb aufnehmen soll. Bis dahin sind chemisch, physikalisch und technisch noch einige Hürden zu nehmen. Zwar kann das Plasma, das im Fusionsprozess viele Millionen Grad heiss sein muss, statt wie früher nur eine Millionstel Sekunde jetzt schon eine und vielleicht bald drei Sekunden glühen. Aber welches Material soll imstande sein, dieser Hitze standzuhalten und wie setzt man diese in Nutzenergie um?
Die Eidgenossenschaft steckt für den Zeitraum 2007 bis 2013 insgesamt 121 Millionen Franken in die Fusionsforschung. Die Universität Basel ist mit Materialforschung am Projekt Iter beteiligt. Hier werden Spiegel entwickelt, mit denen sich Vorgänge im Innern des Reaktors beobachten lassen sollen.
Kernkraftwerk
Kernschmelze
Von Kernschmelze spricht man, wenn der Kern eines Atomreaktors infolge einer unzureichenden Kühlung schmilzt. Kernschmelze ist einer der schlimmsten denkbaren Unfälle in einem (wassermoderierten) Atomkraftwerk.
Gründe für eine Kernschmelze:
Ein Atomreaktor lässt sich nicht einfach abstellen, auch nach dem Abschalten gehen die Zerfallsprozesse weiter. Es wird weiterhin Wärme produziert, die so genannte „Nachzerfallswärme“. Diese muss durch Kühlvorrichtungen abgeführt werden. Fallen aber Kühlung und Notkühlung aus, überhitzt sich der Reaktor und der Kern schmilzt.
Wenn dies geschieht, ist die Wärme im Innern des Reaktors so gross, dass sich die Kernschmelze unter Umständen durch den Boden des Reaktordruckgefässes und das Betonfundament hindurchfrisst. In Amerika heisst dieses Phänomen „China Syndrom“. Gerät die Schmelzmasse in Berührung mit dem Grundwasser, kommt es zur Dampfexplosion oder zu einer Knallgasexplosion, falls aufgrund der grossen Hitze Grundwasser thermolytisch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Ein grosser Teil des radioaktiven Materials wird bei einer solchen Explosion in die Umgebung freigesetzt, ein Super-GAU.
Ursachen für den Ausfall der Reaktorkühlung
Als Ursache für den Ausfall der Reaktorkühlung kommen in Frage:
- Bruch der Hauptkühlleitung und anschliessendes Versagen der Notkühlung
- Stromausfall mit komplettem Ausfall der Notstromversorgung
- Fehler des Betriebspersonals (wie in Harrisburg)
Der erste Fall führt zu einer Kernschmelze mit offenem Primärkreis bei Niederdruck, der zweite zu einer Kernschmelze bei vollem Druck.
Bisherige Kernschmelzunfälle:
- 1955 schmilzt die Hälfte der Brennstäbe in einem Versuchsreaktor in Idaho (USA)
- 1960 schmilzt ein Brennelement in einem Versuchsreaktors bei Waltz Mills (USA)
- 1963 schmilzt ein Brennelement in einem Versuchsreaktors in Oak Ridge (USA)
- 1966 schmilzt die Hälfte der Brennelemente im Fermi-Reaktor in Detroit (USA)
- 1967 teilweise Kernschmelze in Chappelcross (GB)
- 1969 schmilzt der Reaktor in Lucens (CH)
- 1969 Störfall Stufe 4 in Saint-Laurent (Frankreich)
- 1979 teilweise Kernschmelze in Three Mile Island (Harrisburg/USA)
- 1986 Kernschmelze in Tschernobyl (UdSSR), Störfall höchste Stufe 7
- 2011 Kernschmelze in Fukushima (Japan) Störfall Stufe 7
Weiter:
Reaktorunfälle
Kernspaltung
Siehe Atomspaltung
Kettenreaktion
Unter Kettenreaktion versteht man einen Kernspaltungsprozess, bei dem durch Spaltprozesse frei werdende Neutronen dafür sorgen, dass der Prozess selbstständig, d.h. ohne Zutun von aussen, weiterläuft.
In einem Atomreaktor läuft dieser Prozess kontrolliert ab. Steuerstäbe aus Neutronen absorbierendem Material (z.B. Bor oder Cadmium) sorgen dafür, dass stets genauso viele freie Neutronen zur Verfügung stehen, wie zur Aufrechterhaltung der Kernspaltung nötig sind. Durch das Einfahren der Steuerstäbe kann der Reaktor abgestellt werden, durch Herausziehen lässt er sich auf das gewünschte Niveau hochfahren.
Bei Atombomben läuft die Kettenreaktion ungebremst ab. Da bei jeder Spaltung mehrere Neutronen frei werden, pflanzt sich die Kettenreaktion explosionsartig fort. Innert Sekundenbruchteilen wird (zumindest theoretisch) das gesamte Material (Uran-235 oder Plutonium) gespalten und damit die ganze innewohnende Energie freigesetzt. In der Praxis sind die gegenseitigen Abstände zwischen den spaltbaren Kernen nach einigen Sekundenbruchteilen bereits so gross, dass sehr viel spaltbares Material gar nicht „ausgenutzt“ werden kann. Darum wird die Anreicherung mit U-235 bei Atombomben sehr hoch getrieben. Um die Kettenreaktion zu starten, genügt es, durch eine kleine Explosion von konventionellem Sprengstoff im Inneren der Bombe zwei zuvor getrennte, weniger als die kritische Masse umfassende Blöcke an spaltbarem Material zusammenzufügen.
Weiter:
Atomspaltung
Klima
Klimaschutz - was wann geschah
1824 Der französische Physiker Joseph Fournier formuliert erstmals das Prinzip des Treibhauseffektes.
1896 Der schwedische Chemiker Svante August Arrhenius entdeckt die Verbindung von CO2 und Erderwärmung und gibt damit eine Erklärung für den Treibhauseffekt.
1941 Der serbische Geophysiker Milutin Milankoviç entwickelt die astronomische Klimatheorie. Er bestimmt die Klimazyklen, von denen die Intensität der Sonneneinstrahlung abhängt.
1958 Der amerikanische Wissenschaftler Charles Keeling beginnt im Mauna-Loa-Observatorium in Hawaii mit der Messung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.
1972 Die Umweltkonferenz in Stockholm erklärt den Umweltschutz zu einer internationalen Aufgabe. Gründung des UN-Umweltprogramms Unep.
1987 Ein französisch-russisches Forscherteam weist anhand der Klimageschichte der letzten 160‘000 Jahre einen direkten Zusammenhang zwischen Temperatur und CO2-Konzentration nach.
1988 Die Rede des Klimatologen James Hansen über die Klimaerwärmung vor dem US-Kongress löst eine öffentliche Debatte aus. (Juni)
1988 Gründung des zwischenstaatlichen Ausschusses über Klimaveränderung IPCC (Klima-Rat). (Dezember)
1992 Die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro verabschiedet das Rahmenabkommen über Klimaänderungen UNFCCC (Klima-Rahmenkonvention). Als höchstes Entscheidungsgremium wird die Vertragsstaaten-Konferenz COP etabliert.
1997 Das Kioto-Protokoll verpflichtet 38 Industrieländer, den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2012 um 5 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.
2009 Die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen (COP 15) scheitert. In einer Absichtserklärung einigen sich die Teilnehmerstaaten darauf, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Ohne konkrete Bedingungen oder genaue Fristen.
2012 Auf der UN-Klimakonferenz in Doha (COP 18) wird das Kioto-Protokoll verlängert. Russland, Japan und Kanada erklären den Austritt. Für 2015 wird das Ziel eines globalen Übereinkommens formuliert.
(Quelle: LE MONDE diplomatique vom November 2015)
Atmosphärische CO2-Konzentration in ppm (Teile pro Million)
Rekonstruktion anhand von Daten eines antarktischen Eisbohrkerns (Wostok-Eiskern)
Periode | Jahr | ppm |
Elster Kaltzeit | -350 000 | 185 |
Holstein-Warmzeit | -325 000 | 290 |
Saale-Kaltzeit | -260 000 | 185 |
Warmzeit | -240 000 | 280 |
Kaltzeit | -165 000 | 185 |
Eem-Warmzeit | -125 000 | 288 |
Weichsel-Kaltzeit | -15 000 | 180 |
Neuzeit | 2006 | 382 |
Neuzeit | 2014 | 3971 |
1Gemessen im Mauna-Loa-Observatorium in Hawaii im November 2014
(Quelle: LE MONDE diplomatique, November 2015 und Nature Nr. 399/1999)
Staaten mit dem höchsten CO2-Ausstoss 2013
Staat | CO2-Ausstoss in Mio Tonnen | CO2-Ausstoss Tonnen pro Kopf |
China | 10 330 | 7,4 |
USA | 5 300 | 16,6 |
Indien | 2 070 | 1,7 |
Russland | 1 800 | 12,6 |
Japan | 1 360 | 10,7 |
Deutschland | 840 | 10,2 |
Südkorea | 630 | 12,7 |
Kanada | 550 | 15,7 |
Brasilien | 510 | 2,6 |
Indonesien | 490 | 2,0 |
Grossbritannien | 480 | 7,5 |
Saudi-Arabien | 480 | 16,6 |
Mexiko | 470 | 3,9 |
Iran | 410 | 5,3 |
Australien | 390 | 16,9 |
Vergl. Schweiz | 53 | 6,5 |
(Quelle: NORDWESTSCHWEIZ, 26. November 2015)
(Quelle: Infosperber vom 4. Dezember 2015)
Szenarien
Szenarien zur Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung werden heute mit den so genannten RCPs (Representative Concentration Pathway) erarbeitet. Dabei geht es um die Netto-Sonnenenergieeinstrahlung, die zusätzlich durch den Menschen erzeugt wird. Angegeben wird sie in Watt pro Quadratmeter (W/m2).
RPC8.5: Bis 2100 steigt die Weltbevölkerung auf 12 Milliarden Menschen. Sie leben in einer Welt, die sich kaum von der unsrigen unterscheidet. Der Anteil der Kohle an der globalen Energieerzeugung beträgt immer noch rund 50 Prozent. Die CO2-Emmissionen haben sich verdreifacht. Der anthropogene Strahlungsantrieb von 8,5 W/m2 lässt die Durchschnittstemperatur um 4,8 Grad steigen.
RPC4.5: 10 Milliarden Menschen leben im Jahr 2100 auf der Erde. Dank moderner Technologien wird der Primärenergieverbrauch reduziert. Der anthropogene Strahlungsantrieb von 4,5 W/m2 lässt die globale Durchschnittstemperatur um 2,6 Grad steigen.
RPC2.6: Die Weltbevölkerung hat schon vor 2100 ihren Höhepunkt überschritten. Die Menschheit benutzt moderne Technologien und lässt den Rest der fossilen Energieträger im Boden. Bis 2050 steigt der Strahlungsantrieb auf 3,0 W/m2. Ab Mitte des Jahrhunderts werden keine Treibhausgase mehr emittiert. Die Temperaturerhöhung bleibt unter dem 2-Grad-Ziel.
(Nach einem Artikel von Marcel Hänggi, NORDWESTSCHWEIZ vom 26. November 2015)
Klimawandel: Perspektiven bis 2100
Globaler Temperaturanstieg1 | +0,8° C | + 1,5° C | + 2° C | + 3 – 4° C | + 5 – 6° |
Szenario | Situation heute | Unvermeidlich | „Sichere“ Limite | Tipping Point2 | Albtraum |
Anstieg Meeresspiegel bis 21003 |
| 85 cm | 1,04 m | 1,24 m | 1,43 m |
Versinkende Städte4 |
|
| Amsterdam | New York | Bangkok |
Versäuerung des Meeres5 | 30 % säurehaltiger | Wachstum stoppt | Ausgebleicht | Tot | 150 % säurehaltiger |
Hitze | Stärkere Hitzewellen | Jeden Euro-Sommer Hitzewelle | Europas Süden wird Wüste | ? | |
Mais- und Weizenerträge6 |
| – 10 % | – 20 % | – 30 – 40 % | ? |
Schwere Regenfälle (Land)7 |
| +7 % | + 13% | + 20 – 26 % | + 35 – 42 % |
Vom Aussterben bedrohte Tierarten |
|
| Bis 30 % | 40 % | ? |
Beängstigende Vorkommnisse |
|
| Zerfall der Eisdecke von Grönland8 | Permafrost-Schmelze in Sibirien und der Arktis9 | Methan am Meeresgrund wird freigesetzt10 |
1über vorindustrieller Durchschnittstemperatur
2Kipp-Punkt, Point of no Return
3ausgehend vom Meeresspiegel von 1990
4schwerwiegende Überschwemmungen
5Ozeane absorbieren CO2 und werden säurehaltiger
6US- und Afrika-Mais, indischer Weizen
7verglichen mit heute. Eine wärmere Atmosphäre nimmt mehr Feuchtigkeit auf
8die Schmelze de Grönlandeises dauert 50‘000 Jahre und lässt den Meeresspiegel um 6 m steigen
9riesege Mengen CO2 und Methan werden freigesetzt
10Aussterben der Menschheit möglich
(Quelle: Magazin Greenpeace 3/2015)
Alternative Option: Globale Naturkatastrophen oder gesellschaftliche Verwerfungen führen vor Erreichen des Tipping Points2 zum Zusammenbruch der Konsumgesellschaft und einer spürbaren Reduktion der Erdbevölkerung.
Klima 2016
<Die Rekordwärme des letzten Jahres hat laut der amerikanischen Klimabehörde NOAA gravierende Folgen. Dazu zählen Dürren, schrumpfende Gletscher, Fischwanderungen und Zyklone. Die Durchschnittstemperatur über Landflächen habe den Rekord von 2014 um mehr als 0,1 Grad Celsius übertroffen. Dazu habe das Phänomen El Niño beigetragen. 2015 wurde die höchste je gemessene Konzentration von Treibhausgasen nachgewiesen. Auch die Tiere in der Arktis wurden beeinflusst: Walrossherden zogen sich auf das Land zurück, statt auf dem Meereis zu bleiben.> (NZZ vom 4. August 2016)
Weiter:
Kraftwerke
Siehe Elektrizitätserzeugung
Krebs-Studien
Es ist äusserst schwierig, wenn nicht unmöglich, im Einzelfall einen direkten Zusammenhang zwischen den radioaktiven Emissionen von Atomanlagen und Erkrankungen in der Bevölkerung nachzuweisen. Die Latenzzeit für das Auftreten von Krebserkrankungen kann von einem bis fünfzig Jahren gehen, für genetische Schäden kann sie noch länger sein, da Missbildungen oder Stoffwechselkrankheiten oft erst nach Generationen manifest werden. Es gibt eine ganze Reihe von seriösen und aussagekräftigen Studien, die eine nach Atomunfällen erhöhte Leukämierate bei Kindern belegen.
Leukämie-Risiko schon bei niedriger Strahlung
Eine breit angelegte Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO, veröffentlicht in der Fachzeitschrift «Lancet Haematology», zeigt, dass es «einen klaren Zusammenhang zwischen einer anhaltenden niedrigen Strahlung und dem Tod durch Leukämie» gibt. Die Krebsforscher haben im Zeitraum von 1943 bis 2005 untersucht, wie viele Krebstote es unter insgesamt 300‘000 AKW-Arbeitern in Frankreich, Grossbritannien und den USA gegeben hat, und zwar in Abhängigkeit der Einwirkung von Niedrig-Strahlung. Dies war möglich, weil die AKW-Mitarbeiter stets mit einem Dosimeter die radioaktive Strahlung messen und diese Messresultate den Krebsforschern zur Verfügung standen. Die Resultate der IARC-Studie zeigen, dass «ein Risiko schon im Bereich der natürlichen Strahlung, der medizinischen Diagnostik und der beruflichen Exposition» besteht. (Quelle: Infosperber vom 15. Juli 2015)
USA
Harrisburg 1979
Nach dem Atom-Unfall in Harrisburg 1979 zeigten Studien eine markante Zunahme der Krebsfälle bei Kleinkindern in Richtung der vorherrschenden Winde.
Frankreich
La Hague 1997
Wiederaufarbeitungsanlagen geben besonders viel Radioaktivität in die Umgebung ab. In Europa hat es solche Anlagen in Sellafield (Grossbritannien, Stillegung angeordnet) und La Hague (Frankreich). Die Auswirkungen auf die Krebshäufigkeit sind an beiden Standorten statistisch klar nachgewiesen. Eine französische Studie ergab 1997 in der Umgebung von La Hague einen klaren Zusammenhang zwischen den Emissionen der Wiederaufarbeitungsanlage und einer erhöhten Leukämierate bei Kindern und Jugendlichen. In einem Umkreis von 10 km war die Leukämierate dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt.
Deutschland
Aus Deutschland sind verschiedene Studien bekannt, die negative Auswirkungen der Atomkraftwerke auf die Umgebung als wahrscheinlich erscheinen lassen. Es wurde mehrfach eine Häufung von Krebserkrankungen nach Radioaktivitätsaustritt aus Atomkraftwerken oder anderen Nuklearanlagen festgestellt. Eine der Studien zeigt auch Auswirkungen auf die Geburtenrate.
Der Elbmarsch-Cluster 1990
„Seit 1990 sind an der Elbmarsch 19 Kinder an Leukämie erkrankt, vier von ihnen sind an der Krankheit gestorben. Dies stellt die weltweit höchste Leukämierate auf kleinem Raum bei Kindern dar, die Ursache ist aber bis heute unbekannt. Das Kernkraftwerk Krümmel und der Forschungsreaktor Geesthacht wurden oft mit den Leukämiefällen in Verbindung gebracht. Ein wissenschaftlicher Beweis für deren Mitverantwortung ist bisher nicht erbracht worden.“
Der Elbmarschcluster ist ein Beispiel dafür, was mit Untersuchungen passiert, die ein für die Atomenergie ungünstiges Ergebnis ergeben. Die Expertenkommission „Leukämie Schleswig Holstein“ wirft der Landesregierung und der Staatsanwaltschaft Behinderung ihrer Arbeit und Unwillen zur Aufklärung vor. Im Schlussbericht heisst es: „Wir haben das Vertrauen in diese Landesregierung verloren.“ Als 2006 das ZDF einen Report über den Elbmarsch-Cluster vorbereitete, war es schwierig, ein Institut zu finden, das bereit war, Bodenproben aus dem fraglichen Gebiet zu untersuchen. Die Firmen befürchteten – wohl zu Recht – künftig keine Staatsaufträge mehr zu erhalten
Die KIKK-Studie 2007
„Die deutsche Strahlenschutzkommission hat das Ergebnis einer kontroversen Studie*) vom vergangenen Jahr bestätigt, die ein erhöhtes Leukämie-Risiko bei Kindern in der Umgebung von Atomkraftwerken gefunden hatte. Der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission sagte jedoch, es bleibe die Frage nach den Ursachen. Die durch Atomkraftwerke verursachte Strahlung sei um mehr als das Tausendfache geringer als die natürliche Strahlung im Untersuchungsgebiet und auch als Strahlendosen, welche die beobachteten Leukämieerkrankungen auslösen könnten. Auch weise die Studie methodische Schwächen auf. Für das erhöhte Leukämie-Risiko müsse eine Reihe weiterer Faktoren in Betracht gezogen werden. Das Umweltministerium sieht deshalb keinen Anlass, in der Umgebung deutscher Atomkraftwerke neue Schutzmassnahmen zu ergreifen.“ (Neue Zürcher Zeitung vom 10.10.2008)
*)Epidemiologische Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KIKK-Studie), Mainz, 2007
Was in obiger NZZ-Notiz berichtet wird, kann auch so formuliert werden:
„Im letzten Jahr publizierte das Mainzer Institut für Epidemiologie im Auftrag des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz eine Studie von hochexplosiver politischer Sprengkraft: Anhand der Daten des Kinderkrebsregisters wurde nämlich mit der nötigen wissenschaftlichen Evidenz nachgewiesen, dass im Umkreis von fünf Kilometern um ein Atomkraftwerk das Krebsrisiko bei Kindern um 66 Prozent und für Leukämie sogar um 120 Prozent erhöht ist. Und das ist noch nicht alles. Gemäss Professor Edmund Lengfelder, Strahlenbiologe am Strahlenbiologischen Institut der Ludwig-Maximilian-Universität in München, treten auch 30 bis 40 Kilometer von AKW entfernt gehäuft Leukämie- und Krebsfälle auf.“
(Dr. med. J.-J. Fasnacht, vollständiger Text im Textdokument „Krebs bei Kindern“)
Dass in der NZZ-Meldung ein klarer Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung geleugnet wird, zeigt einmal mehr, wie in den Augen der Behörden nicht sein kann, was nicht sein darf. Einmal mehr wird nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Strahlung aus Atomkraftwerken um strahlende Substanzen handelt, die im Gegensatz zur natürlichen Strahlung inkorporiert werden und den Körper von innen bestrahlen. Bei den von den Atomkraftwerken angegebenen Strahlendosen handelt es sich ausserdem um Jahresdurchschnittswerte, während in Wirklichkeit die Radioaktivität nicht kontinuierlich, sondern stossweise in die Umgebung gelangt.
Der Basler Radiologe Andreas Nidecker sagt zur Glaubwürdigkeit der Norddeutschen Kinderkrebsstudie, wo vermehrt Blutkrebserkrankungen bei Kindern aus der Umgebung von Atomkraftwerken festgestellt wurden, folgendes: „Diese Arbeit ist international publiziert, „peer reviewed“ und anerkannt und ist epidemiologisch hieb- und stichfest. Wissenschaftlich anerkannte Studien haben mehr Gewicht als Statements von profitorientierten Unternehmen wie AKW. Natürlich müssen solche Studien sofort verunglimpft werden, können sie doch im Fall ihrer Verbreitung bei einer der Atomenergie latent kritisch eingestellten Bevölkerung Alarmstimmung auslösen.“ (Basler Zeitung vom19. Juli 2010)
Studie zur Geburtenrate 2010
Die Studie belegt, dass in der Nähe von Atomkraftwerken weniger Mädchen geboren werden als in der übrigen Umgebung. In den 35-km-Zonen rings um deutsche und schweizerische Atomkraftwerke wurden gemäss dieser Studie in den letzten 40 Jahren insgesamt bis zu 20‘000 Mädchen nicht geboren, deren Geburt eigentlich statistisch zu erwarten gewesen wäre. Verfasst wurde die Studie von renommierten Wissenschaftlern des Helmholtz-Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt und der Universität Bremen.
Schweiz
Canupis-Studie 2011
In der Schweiz wurde, aufgrund eines nationalrätlichen Postulates, vom Bundesrat im März 2008 eine Studie in Auftrag gegeben, die den Zusammenhang zwischen Krebs bei Kindern und Atomkraftwerken untersuchen sollte. Im Herbst 2008 wurde die so genannte Canupis-Studie (Childhood Cancer and Nuclear Power Plants in Switzerland) gestartet. Durchgeführt wurde sie von einer Arbeitsgruppe der Universität Bern, finanziert durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Krebsliga Schweiz. Indirekt beteiligt an der Finanzierung waren auch die Axpo und die BKW (was im Schlussbericht verschwiegen wird). Die Ergebnisse wurden im Sommer 2011 veröffentlicht. Es ergeben sich keine eindeutigen Schlüsse. Im Abstand bis 5 Kilometer von einem AKW liess sich eine Erhöhung der Fallzahlen um 18 Prozent feststellen, zwischen 5 und 10 Kilometern eine Reduktion um 41 Prozent und anschliessend bis 15 Kilometer eine Zunahme um 9 Prozent (gegenüber einer Kontrollbevölkerung im Abstand von 15 Kilometern). Die Fallzahlen sind aber zu gering, um statistisch eindeutige Schlüsse ziehen zu können.
Krebsregister
Schweiz
„Krebs ist in der Schweiz keine meldepflichtige Krankheit, aus diesem Grunde gibt es keine präzisen statistischen Zahlen zur Anzahl der Krebserkrankungen. In einigen Kantonen werden die Erkrankungsfälle in Krebsregistern erfasst. Die heute existierenden Register decken aber nur etwa die Hälfte der Bevölkerung ab. Die statistischen Zahlen für die Gesamtbevölkerung werden auf der Basis der bestehenden Zahlen hochgerechnet.“
(Quelle: Krebsliga Schweiz 2008)
Bereits vor dem Bau des Atomkraftwerks Gösgen wurde auf parlamentarischer Ebene verlangt, die Krebsfälle in der Umgebung statistisch zu erfassen. Mit der Begründung, das sei nicht nötig und sowieso zu aufwändig, wurde das Begehren abgelehnt. So lässt sich ein Einfluss der im Normalbetrieb durch den Kamin und das Abwasser abgegebenen Radioaktivität auf die Gesundheit der Bevölkerung statistisch weder beweisen noch verneinen.
Deutschland
Seit 1980 werden in Deutschland Krebsfälle bei Kindern bis 15 Jahre im Kinderkrebsregister erfasst. Die Ärzte melden Krebsfälle, wenn die Eltern einverstanden sind. Man geht davon aus, dass mit dem Register mehr als 95 Prozent der Krebsfälle erfasst werden. Bisher liessen sich allein in Deutschland 59 Gebiete mit auffälligen Häufungen, so genannte Clustern, vier davon in der Nähe von Atomkraftwerken, erkennen.
Weiter:
Radioaktivität (Wirkung)
Normalbetrieb
Krebs bei Kindern
Kritische Masse
Ab einer bestimmten Menge spaltbaren Materials (einige wenige Kilogramm reines Uran-235 oder Plutonium) beginnt eine Kettenreaktion. Innert Sekundenbruchteilen wird das gesamte Material gespalten und damit die ganze innewohnende Energie freigesetzt. Die Menge, bei der die Kettenreaktion einsetzt, heisst „kritische Masse“. Gemeint ist damit eine Menge Uran-235 oder Plutonium, die so gross sein muss, dass ein bei der Spaltung freigesetztes Neutron, genügend oft mit Uran- oder Plutoniumkernen zusammenstossen und dabei Energie verlieren und langsamer werden muss, bis es selber wieder einen Kern spalten kann.
In der Atombombe werden durch eine kleine Explosion von konventionellem Sprengstoff im Inneren der Bombe zwei unterkritische Mengen an spaltbarem Material, die durch Neutronen absorbierendes Material (z.B. Paraffin) getrennt sind, zur kritischen Masse zusammengefügt, was die Explosion auslöst.
Weiter:
Atombomben
Krypton, Element
Krypton ist ein seltenes Edelgas mit dem Symbol Kr und der Ordnungszahl 36. Bei Kernspaltungsprozessen im Atomreaktor entsteht das radioaktive Krypton-85 mit einer Halbwertszeit von 10,756 Jahren. Krypton-85 schädigt vor allem die Lunge.
Radioaktives Krypton-85 gelangt bei der Wiederaufarbeitung von Brennstäben in Sellafield und La Hague und auch aus Atomkraftwerken im Normalbetrieb in die Atmosphäre. Als Edelgas kann es nicht durch Filter zurückgehalten werden. Die Emissionen aus den Wiederaufarbeitungsanlagen sind 1'000mal grösser als diejenigen aus Atomkraftwerken.
Kühltürme
Wärmekraftmaschinen können stets nur einen Teil der aufgewendeten Primärenergie in mechanische Energie umwandeln. Schuld daran ist das zweite thermo-dynamische Grundgesetz, der Entropiesatz. Der Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine, also das Verhältnis von nutzbarer (mechanischer) Arbeit zu investierter (Wärme-) Energie ist umso grösser, je grösser die Temperaturdifferenz zwischen dem Dampf am Eingang und dem Kühlwasser am Ausgang des Systems ist. Anders gesagt: Je grösser das „Temperaturgefälle“, umso effizienter die Wärmekraftmaschine.
Bei Dampfturbinen muss der Dampf, der die Turbine verlässt, gekühlt bzw. kondensiert werden, bevor er in Form von Wasser in den Kühlkreislauf zurückkehrt. Die Kühlung des Dampfes vollzieht sich entweder direkt mit Fluss- oder Meerwasser, was insbesondere bei Benutzung von Flusswasser zu einer Erwärmung der Flüsse führt, oder mit Hilfe von Kühltürmen, was mehr oder weniger imposante Dampffahnen ergibt.
In der Schweiz ist direkte Flusskühlung seit 1971 verboten. Das heisst, Atomkraftwerke, die nach diesem Datum gebaut wurden, sind mit Kühltürmen ausgerüstet (Gösgen und Leibstadt).
Es kommen heute vor allem zwei Arten von Kühltürmen zum Einsatz:
Naturzug-Kühltürme
Naturzug-Kühltürme sind imposante, filigrane, oben und unten offene, elegant geschwungene Eisenbetonkonstruktionen von 100 bis maximal 200 Metern Höhe, meist in Form eines Rotations-Hyperboloids. Knapp oberhalb der Stützen befindet sich eine Sprinklereinrichtung, aus der bereits zu Wasser kondensierter Dampf aus der Dampfturbine versprüht wird. Die aufsteigende Luft kühlt nach dem Verdunstungsprinzip das versprühte Wasser, wobei ca. drei Prozent verdampft. Beim Kühlturm in Gösgen ist das ungefähr ein Kubikmeter pro Sekunde. Das entspricht in etwa der Wassermenge, die gleichzeitig aus dem Bodensee verdunstet. Das restliche Wasser wird in einem Becken aufgefangen und in den Reaktor-Kühlkreislauf zurückgeführt.
Hybrid-Kühltürme
Beim Hybrid-Kühlturm wird der Kühlvorgang durch Ventilatoren verstärkt.
Ein Hybrid-Kühlturm hat entweder im unteren Bereich Ventilatoren, die den Luftstrom nach oben drücken oder im oberen Bereich Ventilatoren, die den Luftstrom ansaugen. Im oberen Bereich des Kühlturmes werden die Dampfschwaden mittels Wärmetauschern so aufgeheizt, dass sie unsichtbar werden.
Hybridkühltürme sind als Bau weniger hoch als Naturzugkühltürme und es ist, bei gleichviel Feuchtigkeitsabgabe, keine Dampffahne zu sehen. Bei den Bewilligungsverfahren sind deshalb weniger Einsprachen und allgemein weniger Widerstände zu erwarten. Das ist wohl der Hauptgrund, weshalb heute vor allem Hybridkühltürme in Betracht gezogen werden. Hybrid-Kühltürme haben gegenüber Naturzug-Kühltürmen zwei gewichtige Nachteile: Sie verbrauchen für die Ventilatoren beträchtliche Mengen an Strom, was den Wirkungsgrad des Atomkraftwerks spürbar verschlechtert, ausserdem sind sie teurer in Bau und Betrieb.
Von der Funktion her sind Hybrid- und Naturzug-Kühltürme gleichwertig: Sie kühlen, was zu kühlen ist.
Weiter:
Kühlung, weshalb und wie
Kühlung – weshalb und wie?
In einem Atomkraftwerk wird Wärme durch einen von einer Dampfturbine angetriebenen Generator in Elektrizität verwandelt. Energieumwandelnde Maschinen oder Systeme werden als Konverter bezeichnet.
Aus technisch-physikalischen Gründen, wegen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, können bei Atomkraftwerken nur etwa 35 Prozent der im Reaktor erzeugten Wärmeenergie in Strom umgewandelt werden. Rund zwei Drittel werden durch Kühltürme in die Atmosphäre abgegeben oder erwärmen die Flüsse oder das Meer. Nicolas Léonard Sadi Carnot (* 1. Juni 1796 in Paris; † 24. August 1832 in Paris) fand dieses Prinzip zu einer Zeit, als es weder Automotoren noch Atomkraftwerke gab.
Der Wirkungsgrad einer Dampfturbine hängt von der Temperaturdifferenz zwischen Dampf und Kühlwasser ab. Kühltürme haben die Aufgabe, die Temperatur des Dampfes nach Verlassen der Turbine möglichst tief zu halten. Bei Kohlekraftwerken kann die Eintrittsdampftemperatur heute bis 600 Grad Celsius betragen, was einen Wirkungsgrad bis 45% ergibt. Atomreaktoren ermöglichen die Erzeugung von Dampf um die 300 Grad Celsius, daher der niedrigere Wirkungsgrad (Höhere Temperaturen würden in den Siedewasserreaktoren die Kernspaltungsprozesse bremsen).
Kühlkreisläufe
Bei Siedewasserreaktoren kommt das Kühlwasser innerhalb des Reaktors zum Sieden, der entstehende Dampf wird direkt zur Turbine geleitet. Die Radioaktivität aus dem Reaktorinnern, die unweigerlich an kleinen Schmutzteilchen im Wasser hängt, wird auf diese Weise auch auf die Dampfturbine übertragen; der Turbinenbereich wird radioaktiv kontaminiert.
Bei Druckwasserreaktoren kommt das Kühlwasser im Reaktor nicht zum Sieden, weil dort der Druck grösser ist. Das Kühlwasser fliesst aus dem Reaktor durch einen Primärkreislauf zum Dampferzeuger. Der Dampferzeuger ist ein Wärmetauscher. Der Sekundärkreislauf führt den nicht radioaktiven Dampf zur Turbine, eine Kontamination des Turbinenblocks wird dadurch vermieden. Deshalb sind Druckwasserreaktoren servicefreundlicher als Siedewasserreaktoren.
Kühlung mit Flusswasser oder mit Kühltürmen?
In den Anfängen der Atomenergie wurden die Atomkraftwerke mit Meer- oder Flusswasser gekühlt. In sehr heissen Sommern kommt es vor, dass flusswassergekühlte Kraftwerke ihre elektrische Leistung zurückfahren müssen, weil das relative warme Flusswasser nicht mehr genügend zu kühlen vermag oder der Fluss zu wenig Wasser führt führt und deshalb zu stark erwärmt würde. Um eine übermässige Erwärmung der Flüsse zu vermeiden, verbot in der Schweiz der Bundesrat 1971 die Flusswasserkühlung.
Die nach 1971 gebauten Atomkraftwerke Gösgen und Leibstadt erhielten Naturzug-Kühltürme, während Beznau und Mühleberg nach wie vor mit Flusswasser gekühlt werden.
Für die ursprünglich vorgesehenen drei neuen Atomkraftwerke in der Schweiz waren Hybrid-Kühltürmen vorgesehen.
Künstliche Radioaktivität
Künstliche Radioaktivität stammt aus Stoffen, die bei Kernspaltungsprozessen entstehen, also aus Stoffen, die es in der Natur so nicht gibt. 70 Prozent der durchschnittlichen Strahlenbelastung in der Schweiz stammt gemäss Swissnuclear von natürlicher Radioaktivität. Ein Viertel der Belastung kommt aus medizinischen Anwendungen wie Röntgendiagnostik usw. Fünf Prozent der Strahlenbelastung erfolgt aus Anwendungen in der Industrie.
In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Jahresbelastung an ionisierender Strahlung pro Person durch
kosmische Strahlung | 0.35 mSv |
terrestrische Strahlung | 0.45 mSv |
innere Bestrahlung | 0.4 mSv |
Radon in Wohnräumen | 1.6 mSv |
Medizinische Anwendung | 1.0 mSv |
Übrige (Fallout Atomversuche, Tschernobyl, Atomkraftwerke, etc.) | 0.2 mSv |
Total | 4.0 mSv |
(Quelle: ENSI)
Diese Zahlen werden gerne von der Elektrowirtschaft als Argument verwendet, um die Gefährdung der Bevölkerung durch Atomkraftwerke zu bagatellisieren. Aber die Zahlen täuschen. In Bezug auf die Radioaktivität gibt es zwar drei physikalisch identische Strahlenarten, aber deren Wirkung hängt vom strahlenden Material, von der Art der Einwirkung und der Einwirkungsdauer ab. Wenn, wie oben, von der „radioaktiven Belastung der Bevölkerung“ die Rede ist bleibt unberücksichtigt, ob es sich um eine Belastung durch kosmische Strahlen handelt oder um eine solche durch Alphastrahlen aussendende Teilchen innerhalb des Körpers.