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La Hague, Wiederaufarbeitungsanlage Frankreich
Die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague liegt am äussersten Ende der Halbinsel Cotentin (Frankreich), sie besteht aus zwei Anlagen von je 800 Tonnen Jahreskapazität. In der Anlage UP 2 (Usine Plutonium), die 1966, resp. 1994 in Betrieb genommen wurde, wird atomarer Brennstoff aus französischen Leichtwasserreaktoren aufgearbeitet. In der Anlage UP 3 werden ausländische Brennelemente bearbeitet.
Abgebrannte Brennelemente bestehen gewichtsmässig aus 95% Uran, 1% Plutonium und 4% anderen Spaltprodukten.
In der Wiederaufarbeitung werden die Brennelemente mechanisch zerkleinert und in Salpetersäure aufgelöst. Anschliessend werden die verschiedenen Substanzen voneinander getrennt. Teile des Urans und das Plutonium können in neue Brennstäbe eingearbeitet werden. Deshalb wird gerne von einem „Brennstoffkreislauf“ gesprochen, auch wenn dies nur für den kleinsten Teil des ursprünglich verwendeten Materials zutrifft.
Auch spezielle Isotope (z.B. aus der medizinischen Bestrahlung) oder nukleares Material aus der Abrüstung werden der Wiederverwendung zugeführt.Es ist kein Zufall, dass alle atomar bewaffneten Länder Wiederaufarbeitung machen oder zumindest machten.
Hochradioaktive Abfälle, die nicht wieder verwendet werden können, werden zur Lagerung in Glasblöcke eingearbeitet, ebenso mittelaktive Flüssigabfälle. Schwachradioaktive Abfälle werden einzementiert. Im Prinzip werden ausländische konditionierte Abfälle nach einer Zwischenlagerung in La Hague in die Herkunftsländer zurückgeschickt. Französische Abfälle werden in La Hague zwischengelagert, bis ein Endlager zur Verfügung steht.
Vorbehandelte schwachradioaktive Abwässer werden unter Missachtung der festgelegten Grenzwerte über ein viereinhalb Kilometer langes Rohrsystem in den Ärmelkanal eingeleitet (täglich 400 Kubikmeter). Ausserdem werden grosse Mengen radioaktives Krypton-85 in die Luft abgegeben. Krypon-85 aus La Hague wurde auch auf dem Jungfraujoch nachgewiesen! Eine französische Studie stellte 1997 einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Emissionen aus der Anlage La Hague und einer erhöhten Leukämierate bei Kindern und Jugendlichen fest. In einem Umkreis von 10 km ist die Rate dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt.
In La Hague werden auch Brennelemente aus der Schweiz aufgearbeitet.
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de.wikipedia.org/wiki/Wiederaufarbeitungsanlage_La_Hague
Landesverteidigung
Solange es in der Schweiz Atomkraftwerke gibt, ist unser Land militärisch eigentlich nicht zu verteidigen, denn Atomkraftwerke sind leicht zu identifizierende Angriffsobjekte und stellen ein Ziel mit ungeheurem Verwüstungs- und Erpressungspotential dar.
Kurt Marti, Schriftsteller und Pfarrer, meint:
„Da bereiten wir uns mit riesigem militärischem Aufwand auf recht unwahrscheinliche Ernstfälle vor und werden gleichsam hinterrücks und im eigenen Land von Ernstfällen heimgesucht, auf die wir überhaupt nicht vorbereitet sind, ganz abgesehen davon, dass z.B. die Existenz von AKWs im dicht besiedelten Mittelland alle militärischen Verteidigungsdispositive sowieso realitätsfremd erscheinen lässt“. (Kurt Marti „Notizen und Details 1964 – 2007, Seite 809“)
Cyber-Angriff auf Atomanlage
Heute sind Angriffe auf Atomanlagen mittels Internet nicht nur denkbar, sondern bereits Realität, wie die folgende Meldung zeigt:
Auf iranische Rechner in Industrieanlagen wurde ein raffinierter Hackerangriff durchgeführt. Wer dahinter steckt, ist offen. Die ersten Berichte über eine Cyberattacke auf das iranische Atomprogramm durch den Computerschädling Stuxnet lesen sich wie ein Kapitel aus einem modernen Spionageroman. Ein raffiniert programmierter Computerwurm soll ausgerechnet in dem Land, das von den USA als Schurkenstaat eingeschätzt wird, eine umstrittene Atomanlage lahmlegen. Stuxnet ist aber keine Fiktion, sondern Realität. Sicherheitsexperten wissen bereits seit über einem Jahr, wie Steuerungszentralen von grossen Industrieanlagen und Kraftwerken ausser Gefecht gesetzt werden können. „Der Cyberspace wird mittlerweile als fünftes militärisches Schlachtfeld neben dem Boden, der Luft, dem Wasser und dem Weltraum gesehen“, erklärt der Buchautor Arne Schönbohm in der Zeitschrift „WirtschaftsWoche“. (Basler Zeitung, 27. September 2010)
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Terrorgefahr
Leibstadt, Atomkraftwerk Schweiz
Das Atomkraftwerk Leibstadt liegt direkt an der deutsch-schweizerischen Grenze, schräg gegenüber der deutschen Stadt Waldshut. Es ist das zuletzt gebaute, grösste und teuerste Atomkraftwerk der Schweiz. Es ist mit einem Kühlturm versehen, weil seit 1971 die Flusskühlung verboten ist. Leibstadt ist wie Gösgen ein Partnerwerk, d.h. es wurde nicht von einem einzigen Unternehmen, sondern von einer Gesellschaft mit dem Namen „Kernkraftwerk Leibstadt AG“ gebaut. Die hohen Kosten und das finanzielle Risiko werden so auf verschiedene Partnergesellschaften aufgeteilt. Diese bezahlen nichts für den Strom, müssen aber die Betriebskosten unter sich aufteilen. Im Falle eines Super-GAU geht die Betriebsgesellschaft in Konkurs und der Schaden muss, abgesehen von den durch Haftpflicht gedeckten 1,8 Milliarden, von der Allgemeinheit getragen werden.
1966 schliesst die Elektrowatt AG mit der Gemeinde Leibstadt einen Vertrag ab, gemäss dem die Gemeinde eine Art Wartegeld (zuerst 30'000, später 50'000 Franken jährlich bis zum Baubeginn) erhält.
1969, im Dezember, erhält die „Interessengemeinschaft Kernkraftwerk Leibstadt“ vom Bund eine Standortbewilligung.
1971 organisiert sich der Widerstand gegen das Bauvorhaben im „Aktionskomitee gegen das Atomkraftwerk Leibstadt“. Mit Aktionen und Beschwerden wird versucht, den Bau zu verhindern. In den folgenden Jahren entwickelt sich das, was später als „Leibstadt Krimi“ bezeichnet wurde. Mit einem „Geschenk“ von drei Millionen Franken und massivem Druck wurden schliesslich die Beschwerdeführer 1973 zum Aufgeben bewegt. Mit dem Geld sind später einige Radwege und Unterführungen gebaut worden, die sowieso hätten gebaut werden müssen. Der Anwalt des Komitees, Markus Meyer, wurde später Stadtammann von Aarau und Verwaltungsrat der Aare-Tessin AG (Atel), der damals ein Sechstel von Leibstadt gehörte.
1973 wird die Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL) gegründet und bestellt bei General Electric und Brown Boveri einen schlüsselfertigen 990 Megawatt Siedewasserreaktor. Sämtliche Beschwerden gegen den Bau werden abgewiesen, zum Teil wird gebaut, bevor die Beschwerden definitiv entschieden sind.
1984, im Dezember, nimmt das Atomkraftwerk Leibstadt den Betrieb auf. Statt 1,8 Milliarden Franken, wie am Anfang geplant, kostete das Werk schliesslich 5,1 Milliarden Franken.
1992, am 31. Juli, trifft beim Bund ein Gesuch für eine Leistungserhöhung ein. 14,7 Prozent möchte man die Leistung des Reaktors steigern und damit 5 Prozent mehr Elektrizität erzeugen.
1998, am 22. Oktober, wird die Leistungserhöhung trotz offener Sicherheitsfragen bewilligt. Durch die Leistungserhöhung sinken die Sicherheitsreserven, das Unfallrisiko wächst um 25 bis 30 Prozent, meinen die Fachleute vom Öko-Institut Darmstadt.
Die bisherige Geschichte des Atomkraftwerks Leibstadt ist eine dramatische Geschichte von Pannen, Unfällen, Fehlverhalten der Verantwortlichen und auch von Diskussionen um die Sicherheitsphilosophie.
Beispiel: Ein Vorkommnis 2010 wurde auf der Internationalen -Störfallskala INES der Stufe 2 (Störfall mit erheblicher radioaktiver Kontaminierung im Innern des AKW) zugeordnet.
Das Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) betrachtet das Werk als betriebssicher. Nachgerüstet wurde im Lauf der Zeit für 200 Millionen Franken, z.B. für ein neues Lager für abgebrannte Brennelemente und für die Filterung der Reaktorabluft. (Quelle: NZZ am Sonntag, 20. März 2011)
Bei der Jahresrevision 2011 wurden 136 der total 648 Brennelemente ausgetauscht. An der Revision waren rund 1‘000 externe Fach- und Hilfskräfte von über 100 Firmen beschäftigt. In der vorangehenden Betriebsperiode wurden 8,9 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. (Quelle: NZZ vom 4. August 2011)
Name | In Betrieb seit | Betrieb vorgesehen bis | Leistung | Besitzer |
---|---|---|---|---|
KKW Leibstadt | 1984 | 2044 | 1'164 MW | Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL) (Partnerwerk von AEW, Alpiq, Axpo, BKW, CKW, EGL, EOS) |
Weiter:
de.wikipedia.org/wiki/Leibstadt
Atomkraftwerke Schweiz
www.kkl.ch
Leichtwasserreaktor
Siehe Reaktortypen
Leukämie
Siehe Krebs-Studien
Lucens, Atomruine Schweiz
Der Versuch, in der Schweiz einen eigenen kommerziellen Atomreaktor zu entwickeln, endete am 21. Januar 1969 in einer Felskaverne in Lucens (Waadt): Ein mit Kohlendioxid (CO2) gekühlter und Schwerem Wasser (D2O) moderierter Reaktor wurde durch eine Kernschmelze zerstört.
Die Baugeschichte
Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt ein Konsortium, bestehend aus den Firmen Sulzer, BBC und Energie Nucléaire SA (Enusa) vom Bund den Auftrag, für die Schweiz einen eigenen Reaktortyp zu entwickeln. Das Parlament bewilligte dazu einen Kredit von fünfzig Millionen Franken. Als sich BBC aus dem Konsortium zurückzog, machten sich Sulzer und Enusa daran, den Auftrag allein auszuführen. Sulzer wollte den Reaktor unter der ETH, also mitten in der Stadt Zürich, bauen. Enusa hatte aus Sicherheitsgründen Lucens als Standort vorgeschlagen. Man einigte sich auf Lucens.
Im Diorit-Forschungsreaktor im Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung (EIR) in Würenlingen wurde 1966 eines der Brennelemente getestet, hielt aber den Belastungen nicht stand und explodierte. Der Forschungsreaktor Diorit wurde beschädigt und konnte erst zwei Jahre später wieder in Betrieb genommen werden. Der Atomreaktor in Lucens stand zu diesem Zeitpunkt bereits vor den ersten Testläufen und erhielt von den Aufsichtsbehörden des Bundes, trotz der klar aufgetretenen Problemen im Diorit-Test, die Bewilligung, die Brennelemente einzubauen und den Reaktor versuchsweise in Betrieb zu nehmen. Am 29. Dezember 1966 wurde der Reaktor erstmals kritisch. Schwierigkeiten mit den Gebläsen für den Kühlkreislauf zwangen zu mehreren Anpassungen. Im Mai 1968 wurde eine provisorische Betriebsbewilligung erteilt und der Reaktor feierlich der Betreibergesellschaft EOS übergeben. Ende Dezember 1968 erhielt der Atomreaktor Lucens vom Bund die definitive Betriebsbewilligung.
Inbetriebnahme und Ende
Am 21. Januar 1969, vier Uhr morgens, wurde der Reaktor in Betrieb genommen. Zuerst verlief alles wie geplant. Im Verlauf des Tages stieg die Leistung auf 9 Megawatt. Was anschliessend geschah, schildert Tobias Wildi im Buch „Der Traum vom eigenen Reaktor“ wie folgt:
„ Als nach 17 Uhr die Leistung nochmals gesteigert wurde, begannen sich einige Brennelemente zu überhitzen (…). Weil aus Kostengründen nicht jedes Element mit einem Temperaturfühler ausgerüstet war, konnte der starke Temperaturanstieg im Kontrollraum nicht bemerkt werden. Das am stärksten korrodierte Rohr erhitzte sich so stark, dass es schliesslich schmolz und den Kühlkreislauf ganz verstopfte. (…) Die Bedienmannschaft sah und hörte von alledem nicht, sie sass geschützt durch dicke Fels- und Betonmauern im nahe liegenden Kontrollraum. Sie wurde auf das Ereignis erst aufmerksam, als um 17.20 Uhr eine automatische Schnellabschaltung des Reaktors erfolgte, unter praktisch gleichzeitigem Aufleuchten zahlreicher Abschaltungs- und Alarmsignale im Kommandoraum. Aus den Anzeigen im Kontrollraum musste geschlossen werden, dass der Primärkreislauf aufgebrochen war und radioaktives CO2 in die Reaktorkaverne ausströmte. Offenbar war auch der Moderatortank geborsten und Schweres Wasser in die Reaktorkaverne ausgeflossen. Jedoch zeigten so viele Instrumente abnorme Werte an, dass eine Interpretation der Anzeigen nicht mehr möglich war. Die Operateure wussten zudem nicht, welche Messfühler überhaupt noch richtige Werte übermittelten und welche ausgefallen waren. So waren zwar laut Kontrolltafel alle Steuerstäbe eingefahren und der Reaktor somit abgeschaltet, ob dies tatsächlich der Fall war, konnte aus mangelndem Sichtkontakt niemand überprüfen. Die Tragweite oder gar die Ursache des Geschehens war für das Betriebspersonal völlig unüberblickbar. (…)
In Lucens hatte sich abgespielt, was Charles Perrow als einen normalen Unfall in einem komplexen grosstechnischen System bezeichnete. Es waren gleichzeitig mehrere Störungsquellen aufgetreten, die miteinander in unvorhergesehener Weise interagiert hatten. Die Interaktion war für die Reaktoroperateure im Kontrollraum vollkommen undurchschaubar gewesen. Sie war so undurchschaubar, dass es insgesamt zehn Jahre dauerte, bis die Untersuchungskommission sämtliche Zusammenhänge aufgedeckt hatte.“
So endete der Traum von einem Schweizerischen Atomreaktor. Der offizielle Untersuchungsbericht über Ursache und Hergang des Unfalls wurde von denselben Leuten erstellt, die am Anfang die Betriebsbewilligungen erteilt hatten. Die Gesamtkosten für die Eidgenossenschaft beliefen sich auf etwa 70 Millionen Franken.
Heute dienen die Nebenräume der Reaktoranlage dem Kanton Waadt als Aufbewahrungsort für Kulturgüter. Die eigentliche Reaktorkaverne wurde zubetoniert.