H

Haftpflichtversicherung

Im Mai 2008 hat der Nationalrat als Zweitrat der Totalrevision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes zugestimmt. Darin ist die obligatorische Versicherungsdeckung für Atomenergieanlagen auf 1.8 Milliarden Franken beschränkt. Angesichts einer möglichen Schadensumme von 4,3 Billionen Franken, wie sie das Bundesamt für Zivilschutz 1995 berechnet hat, ist diese Deckung völlig ungenügend. Die möglichen Schäden entsprechendem Zehnfachen des Bruttoinlandproduktes der Schweiz, der Bund, also der Steuerzahler, würde da in die Pflicht genommen. Eine Haftpflichtversicherung in angemessener Höhe hätte exorbitante Prämien zur Folge. Die Prämie für das AKW Leibstadt würde im Jahr etwa 100 Millionen Franken betragen, der Strom würde deutlich teurer. Angesichts des Risikos, dass es tatsächlich passieren könnte, wäre wohl auch keine Versicherung bereit, Atomkraftwerke entsprechend zu versichern.

Durch diese Privilegierung der Atomanlagen in der Haftpflichtfrage (eine indirekte Subventionierung der Atomindustrie von mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr) werden die erneuerbaren Energien im Wettbewerb benachteiligt. Der Vergleich mit der Motorfahrzeug-Haftpflicht zeigt die absurden Dimensionen der Haftungsbeschränkung auf 1,8 Milliarden Franken: Die minimale Haftpflicht für Autofahrer beträgt 5 Millionen Franken. Damit wird die maximale Haftpflicht für ein Atomkraftwerk der Versicherung für 360 Motorfahrzeuge gleichgesetzt!

"Eine ganz banale Realität beweist, dass die gesamte Atomindustrie ein Fremdkörper ist, nicht nur im System der natürlichen, ökologischen Logik, sondern auch im System der Marktwirtschaft: Niemand auf dieser Erde versichert ein Atomkraftwerk gegen Schäden gegenüber Dritten. Gäbe es doch ein dazu bereites Versicherungsunternehmen, müssten die Betreiber eine Police bezahlen, die den Strom aus Kraftwerken unbezahlbar machen würde.  (“Andreas Bangemann in „Humane Wirtschaft 03/2011“).

Ausland
Deutschland: 2,5 Milliarden Euro Haftpflicht für die AKW-Betreiber, Rest beim Staat.

Frankreich: 91 Millionen Euro Haftpflicht für EDF, 100 Millionen für den Staat. Das
französiche Institut für Strahlenschutz rechnet mit bis zu 430 Milliarden Schaden bei einem Super-GAU (DER SPIEGEL 12/2013)

Weiter:
www.nein-zu-neuen-akw.ch/de/themen/wirtschaftlichkeit 
www.greenpeace.ch/de/fotos-videos/videos/atom/schwere-akw-unfaelle-in-der-schweiz-wer-bezahlt/

Halbwertszeit

Radioaktive Öffnet internen Link im aktuellen FensterIsotope zerfallen in andere Elemente und senden dabei ionisierende Strahlung aus. Die Zeit, in der die Hälfte des vorhandenen Materials zerfällt, heisst Halbwertszeit. Nach dieser Zeit ist noch die Hälfte der ursprünglich zerfallsfähigen Menge vorhanden, nach einer weitere Halbwertszeit noch ein Viertel usw. Die Halbwertszeiten sind von Isotop zu Isotop sehr unterschiedlich: von Sekundenbruchteilen bis zu Millionen  von Jahren.

Wenn ein Element, z.B. Öffnet internen Link im aktuellen FensterPlutonium-239, eine Halbwertszeit von 24'000 Jahren hat, dann sind nach Ablauf dieser Zeit von einem Kilogramm immer noch 500 Gramm vorhanden. Die Halbwertszeit für diesen Rest beträgt wieder 24'000 Jahre, d.h. nach 48'000 Jahren ist noch ein Viertel des ursprünglichen Materials, also 250 Gramm, vorhanden.

Die Geschwindigkeit des radioaktiven Zerfalls lässt sich nicht beeinflussen. Wenn Isotope chemische Verbindungen eingehen oder sonst wie behandelt werden, ändert sich ihre Halbwertszeit nicht, sie ist eine unveränderliche physikalische Grösse. Solange radioaktives Material vorhanden ist, wird ionisierende Strahlung freigesetzt.

Physikalische Halbwertszeiten

Americium-241

432

Jahre

Cäsium-137

30

Jahre

Jod-131

8

Tage

Jod-129

15.7

Millionen Jahre

Kalium-40

1.3

Milliarden Jahre

Kohlenstoff-14

5'370

Jahre

Plutonium-239

24'100

Jahre

Polonium-214

0,00016

Sekunden

Radon-222

33.8

Tage

Radium-226

1'600

Jahre

Strontium-90

28.8

Jahre

Tritium

12.3

Jahre

Uran-235

700

Millionen Jahre

Biologische Halbwertszeit

Nebst der physikalischen Halbwertszeit gibt es auch die so genannte biologische Halbwertszeit. Diese spielt eine Rolle, wenn ein radioaktiver Stoff durch die Atmung oder mit Getränken und Speisen in den Körper aufgenommen (inkorporiert) wird. Die biologische Halbwertszeit gibt an, in welcher Zeit die Hälfte der betreffenden Substanz vom Körper wieder ausgeschieden wird. 

Bei Plutonium-239 beträgt die biologische Halbwertszeit 50 Jahre, d.h. nach 50 Jahren ist immer noch die Hälfte des aufgenommenen Plutoniums im Körper vorhanden. Plutoniumverseuchte Leichen oder deren Asche müssen deshalb wie Atommüll behandelt werden.

Physikalische, biologische und effektive Halbwertszeit

Ist die physikalische Halbwertszeit im Vergleich mit der biologischen sehr lang (z.B. Kohlenstoff-14), so ist die effektive Halbwertszeit praktisch gleich der biologischen.
Ist dagegen die physikalische Halbwertszeit im Vergleich mit der biologischen sehr kurz (z.B. Strontium-89), so ist die effektive Halbwertszeit praktisch gleich der physikalischen.
Sind biologische und physikalische etwa gleich lang (z.B. Strontium-90), so ist die effektive etwa die Hälfte der beiden anderen.

1/Teff = 1/Tbiol + 1/Tphys

Teff= Effektive Halbwertszeit // Tbiol= Biologische Halbwertszeit // Tphys= Physikalische Halbwertszeit

 

Tphys

Tbiol

Teff

H-3 (Tritium)

12.3 a

12 d

12 d

Kohlenstoff-14

5370 a

12 d

12 d

Strontium-90

28.8 a

35 a

15.8 a

Iod-131

8 d

150 d

7.6 d

Caesium-137

30.1a

140 d

138 d

Plutonium-239

2.44 * 104 a

200 a

200 a

Physikalische/biologische Halbwertszeit wichtiger Spaltprodukte

Physikalische Halbwertszeit

Biologische Halbwertszeit

Kritisches Organ

Sr 89

54 d

50 a

Knochen

Sr 90

28.8 a

35 a

Knochen

J 131

8 d

150 d

Schilddrüse

Cs 137

30.1 a

140 d

Muskeln

Ba 140

13 d

200 d

Knochen

Weiter: 
Öffnet internen Link im aktuellen FensterRadioaktivität (Strahlenarten)

Harrisburg, Atomkraftwerk USA

Am 28. März 1979 ereignete sich in Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania) im Block 2 der bis dahin schlimmste Unfall in einem kommerziellen Atomkraftwerk: Auf Grund verschiedener Fehler der Bedienungsmannschaft kam es zu einer Kernschmelze, bei der drei Viertel des Reaktorkerns zerstört wurden. Der Reaktor reagierte in einigen Punkten in einer Art und Weise, die niemand erwartet hatte und die zum Teil bis heute nicht verstanden wird.

Unfallhergang

Ausgelöst wurde die ganze Ereigniskette durch ein schier unglaubliches Vorkommnis: Ein Techniker schloss einen Schlauch statt am Druckluftsystem an der Wasserleitung an! Dadurch wurden Vorgänge eingeleitet, die fünf Stunden später zu einem schweren Unfall führten und die sich zu einer gewaltigen Katastrophe wie in Tschernobyl hätten ausweiten können. „Wir hätten beinahe Chicago verloren“, meinte ein Experte.

Durch den falsch angeschlossenen Schlauch gelangte Wasser ins System, das die Ventile des Sekundärkreislaufs steuerte. Die Ventile schlossen sich, der Reaktor wurde nicht mehr richtig gekühlt, weil das Sekundärkühlsystem die Energie aus dem Primärkühlsystem nicht mehr aufnehmen konnte. Temperatur und Druck im Reaktor stiegen an. Weil die für diese Situation vorgesehenen Massnahmen nicht funktionierten, wurde Dampf durch ein Überdruckventil in die Umgebung abgelassen. Der Reaktor schaltete sich automatisch ab, alles schien nach Plan zu funktionieren. Die Notkühlung, die zur Abführung der Öffnet internen Link im aktuellen FensterNachzerfallswärme dienen sollte, sprang zwar an, aber das Wasser erreichte sein Ziel nicht, weil Techniker vergessen hatten, nach Wartungsarbeiten die entsprechenden Ventile wieder zu öffnen. Zwar zeigte eine Warnlampe diese hochgefährliche Situation an, aber sie wurde von den Operateuren nicht wahrgenommen. Ein Wartungszettel, der an einem daneben liegenden Schalter  angebracht war, verdeckte die Warnlampe. Die Operateure gingen davon aus, dass die Notkühlung wie vorgesehen funktioniere.

Druck und Temperatur im Reaktor stiegen weiter an, ein Ablassventil öffnete sich, funktionierte aber nicht richtig und schloss sich nicht mehr. Dann wurde endlich der Zettel auf der Warnlampe entdeckt. Die Operateure öffneten die irrtümlich geschlossenen Ventile und ermöglichten damit die Kühlung des Dampferzeugers. Das defekte Ablassventil am Reaktor stand aber immer noch offen, der Druck sank weiter und das Wasser im Reaktor begann als Folge davon zu sieden. Der Dampf gelangte in das Primärkühlsystem und verursachte starke Schwingungen in den Rohrleitungen und Pumpen. Um zu verhindern, dass die Rohre barsten, stellten die Operateure die Pumpen ab. Wegen der Dampfentwicklung sank der Wasserspiegel im Reaktor, die oberen Enden der Brennstäbe wurden freigelegt und begannen zu schmelzen. Jetzt wurde das offene Druckablassventil entdeckt und ein dahinter liegendes geschlossen, der Druck im Reaktor begann wieder zu steigen, aber der Kernschmelzvorgang ging weiter. Der hohen Temperatur wegen reagierte das Zirkonium der Brennstabhüllen mit dem Wasserdampf, es bildete sich Wasserstoff, der ins Containment gelangte und dort mit dem Sauerstoff ein Knallgasgemisch entwickelte.

Erst drei Stunden nach Beginn wurde um 7.24 Uhr die höchste Alarmstufe ausgelöst. Zwei Stunden später nahm die Kraftwerksleitung Stellung: Es sei keine Radioaktivität ausgetreten, der Alarm wurde dabei nicht erwähnt. Erst zwei Tage danach, am 30. März, begann man mit der Evakuierung von Kindern und schwangeren Frauen aus der Umgebung des Kraftwerks. Der Präsident der US-Atomkontrollkommission NCR Joseph Hendrie, sagte: „Wir tappen fast völlig im Dunkeln. […] Es ist, als ob ein paar blinde Männer herumstolpern und Entscheidungen treffen.“

Die Folgen

Infolge des Überdruckes und der grossen Dampfentwicklung gelangte radioaktiver Wasserdampf in die Umgebung und radioaktiv verseuchtes Wasser wurde durch Fehlmanipulationen in den nahe liegenden Fluss geleitet. 
Eine unabhängige Studie stellte sechs Jahre nach dem Unfall auf der in Windrichtung gelegenen Seite eine 150 Prozent höhere Krebshäufigkeit fest. In einer anderen, über 18 Jahre laufenden Studie, wurden bei rund 30'000 Anwohnern keine gesundheitlichen Folgen festgestellt, worauf tausende diesbezügliche Klagen von den Gerichten abgewiesen wurden. Bürgerinitiativen berichten aber, dass es im engeren Umkreis des Atomkraftwerks Krankheits- und Todesfälle gab und die Angehörigen von der Betreiberfirma entschädigt worden seien.

Die Bewältigung

Der Unfallhergang wurde gründlich abgeklärt. Es gab Punkte, wo sich keine Erklärung finden liess oder wo sich zeigte, dass man nicht an alles gedacht hatte. Fehlleistungen der Bedienungsmannschaft kann es immer geben, aber mit dieser Häufung hatte niemand gerechnet. Auch dass im Inneren des Reaktors Wasserstoffgas entstehen könnte, war bis dahin unbekannt. Und dass der glutflüssige Kern vom Containment zurückgehalten werden konnte, wird bis heute als Wunder bezeichnet. Summa summarum: Glück gehabt! 
Gelernt hat man, dass Wasser- und Druckluftleitungen nicht dieselbe Art von Anschlüssen haben dürfen und dass ein Kontrollraum besser beleuchtet und anders gestaltet sein muss als in Harrisburg. Auch die Ausbildung der Bedienungsmannschaft stellte sich als ungenügend heraus.
Die Beseitigung der Folgen hat bis 1988 dreimal länger gedauert und mit einer Milliarde US-Dollar siebenmal mehr gekostet, als zunächst angenommen wurde. 

Und noch das…

Wenige Monate vor dem Unfall waren im Atomkraftwerk Three Mile Island Teile des Films „China Syndrom“ mit Jane Fonda gedreht worden. Der Film zeigt in einer fiktiven Geschichte, was bei einem Unfall in einem Atomkraftwerk geschieht, im Werk selber und ausserhalb. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass etliches von dem, was im Film gezeigt wurde, anschliessend in Wirklichkeit passierte. Genau dort, wo Teile des Films aufgenommen worden waren!
Das nur nebenbei: Unmittelbar vor dem Unfall in Three Mile Island, nämlich am 18. Februar 1979, hatte das Schweizer Stimmvolk die so genannte „Atomschutz-Initiative“ mit 51,2% „Nein“ abgelehnt. Wer weiss, was geschehen wäre, hätte die Abstimmung nach dem Unfall in Harrisburg stattgefunden …

Übersicht:

Fehler

Grund

Folge

Techniker schliesst Schlauch an Wasser statt an Druckluft an

Fehler des Technikers

Ventile des Sekundärkühlkreises schliessen sich, Wärme wird nicht mehr abgeführt, Temperatur im Reaktor steigt. Überdruckventil öffnet sich, der Reaktor stellt automatisch ab, die Notkühlung springt an

Techniker vergessen nach einer Revision die Ventile in der Notkühlung wieder zu öffnen

Fehler der Techniker

Das Wasser der Notkühlung erreicht sein Ziel nicht, Warnlampe leuchtet auf

Ein Zettel verdeckt die Warnlampe

Unaufmerksamkeit des Technikers, der den Zettel befestigt hatte

Die Bedienungsmannschaft bemerkt die Warnlampe nicht, Temperatur und Druck im Reaktor steigen weiter an, das Überdruckventil steht immer noch offen, der Druck im Reaktor sinkt, deshalb siedet das Wasser, es entsteht Dampf, es kommt zu Schwingungen in den Rohrleitungen

Abstellen der Notkühl-Pumpen

Die Bedienungsmannschaft meinte, thermische Zirkulation genüge zur Kühlung und will Bersten der Rohre und Pumpen verhindern

Die Dampfentwicklung verstärkt sich, dadurch sinkt der Wasserspiegel im Reaktor, die oberen Enden der Brennstäbe werden freigelegt, die Kernschmelze beginnt. Es entwickelt sich Wasserstoffgas


Weiter:
Textdokumente Sicherheit
de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Three_Mile_Island

Hiroshima

Siehe Öffnet internen Link im aktuellen FensterAtombomben

Hochtemperaturreaktor

Siehe Öffnet internen Link im aktuellen FensterReaktortypen

Hot particles

„Hot particles“ oder „Heisse Teilchen“ sind in der Luft schwebende, schwer lösliche, hochradioaktive Teilchen. Seit den Fünfzigerjahren werden solche Teilchen in der Atmosphäre beobachtet. Einzelne hot particles sind so energiereich, dass sie normale Radioaktivitätsmessungen stören.

Hot particles stammen einerseits von oberirdischen Atomwaffenversuchen und andererseits aus den Reaktorunfällen von Windscale (1954 und 1957), Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011).

Auch Satelliten stellen in dieser Hinsicht ein Problem dar. Die Sowjetunion schoss zwischen 1961 und 1990 insgesamt 35 Satelliten mit Atomreaktoren an Bord in eine Umlaufbahn, die USA deren 10. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen diese Satelliten und sind Quellen von heissen Teilchen. So verstreute ein Satellit vom Typ Cosmos im Jahre 1978 auf eine Fläche dreimal so gross wie die Schweiz einen Viertel der Gesamtaktivität des Reaktors.

Auch nach den Abstürzen von B-52 Bombern in Palomares (Spanien) 1966 und Thule (Grönland) 1968 wurden hot particles festgestellt.

Internationale Kongresse befassten sich 1987 in Theuern (Ostbayern) und 1992 in Znaim (Tschechien) speziell mit Tschernobyl, wo schätzungsweise 6’000-8'000 Kilogramm heisse Teilchen in die Umwelt abgegeben wurden. 

Hybrid-Kühlturm

Siehe Öffnet internen Link im aktuellen FensterKühltürme